WM-Quali Deutschland gegen Finnland: Schwacher Testlauf
Die bereits qualifizierte deutsche Elf konnte sich gegen Finnland offenbar nicht mehr richtig motivieren – nicht mal die Testspieler im Team. Die Fans pfiffen, Löw aber gibt sich zufrieden.
HAMBURG dpa | Das Publikum pfiff, aber Bundesrtrainer Joachim Löw gab sich zufrieden nach dem 1:1 gegen Finnland. "Die Mannschaft hat versucht, das Spiel zu drehen und Moral bewiesen. , sagte der Bundestrainer nach dem Spiel. "Die Moral war gut, wir wollten unbedingt ungeschlagen durch die Qualifikation gehen."
Das hätte allerdings beinahe nicht funktioniert. Auch wenn die deutsche Mannschaft gegen Schluss fast unentwegt aufs finnische Tor marschierte, kam dabei wenig Zwingendes heraus. Erst in der letzten Minute der regulären Spielzeit erzielte Lulkas Podolski in Hamburg den Ausgleich zum 1:1 (0:1). Und das war auch eher hineingestolpert, als erspielt.
Für die beiden in diesem Jahr noch ausstehenden Testspiele gegen Chile am 14. November in Köln und am 18. November gegen Ägypten in Gelsenkirchen versprach Löw wieder mehr Power und Leidenschaft. "Wir spielen in Städten mit viel Fußball-Begeisterung", sagte der DFB-Chefcoach. "Wir werden uns wieder intensiv vorbereiten, und da werden wir neuen Schwung und neue Energie haben."
Bei den Spielern um Kapitän Michael Ballack herrschte Einsicht über die schlechte Leistung gegen Finnland, aber auch Unmut über das Pfeifkonzert der Fans in der mit 51.500 Zuschauern ausverkauften Hamburger Arena. "Natürlich tut das jedem Spieler weh, das ist für mich auch unverständlich", sagte Ballack.
Man habe sich in der ganzen WM-Qualifikation hervorragend präsentiert und hätte vier Tage nach dem entscheidenden 1:0-Sieg in Russland "viel mehr Applaus und viel mehr Geduld" verdient gehabt. Auch Torwart René Adler fand die Reaktion der unzufriedenen Anhänger "unangebracht".
In den November-Tests will Löw seine Personal-Experimente Richtung Südafrika fortsetzen. Fest steht bereits, dass die Torhüter Tim Wiese gegen Chile und Manuel Neuer gegen Ägypten ihre Bewährungschance erhalten werden.
Der Münchner Saison-Aufsteiger Thomas Müller kann mit einer Nominierung rechnen. Wieder zum Aufgebot soll auch Verteidiger Jérome Boateng gehören, der in seiner Heimat Hamburg nach der Gelb-Roten Karte gegen Finnland gesperrt fehlte.
Boatengs Vertreter als rechter Außenverteidiger, Andreas Beck, konnte wie einige andere WM-Testkandidaten nicht überzeugen. Löw wollte über die Profis aber nicht zu hart urteilen. "Es ist sicher nicht leicht, nach so einem außergewöhnlichen Highlight wie gegen Russland in die Mannschaft zu kommen und sich zurechtzufinden", sagte Löw. "Das sind alles noch junge Spieler ohne große Länderspiel-Erfahrung."
Pfeiffkonzert in der Arena
Und so durften sie gleich eine der härteren Erfahrungen machen. Am Donnerstagabend taten sich das DFB-Team nicht nur mit den kompakt stehen Finnen schwer, sondern auch mit dem ungeduldigen Publikum. Selbst die ganz erfahrenen Spieler wie Michael Ballack wurmten die Pfiffe gewaltig. "Natürlich tut das jedem Spieler weh, das ist für mich auch unverständlich", sagte der DFB-Kapitän. "Das hat die Mannschaft nicht verdient."
Bereits in der elften Minute hatte Jonatan Johansson die Gäste in Führung gebracht. Dem gegenüber dem Sieg gegen Russland in Moskau auf sechs Positionen veränderten Team gelang es nicht, mit schnellen Kombinationen selbst den Rhythmus der Partie zu diktieren. Das Spiel litt vor allem darunter, dass etablierten Kräften die gewohnte Konzentration fehlte und diejenigen, die sich für höhere Aufgaben empfehlen sollten und wollten, unter ihren Möglichkeiten blieben.
So unterliefen der neuen Mittelfeld-Achse mit Piotr Trochowski und Thomas Hitzlsperger viele Fehlpässe, der erstmals in die Startelf berufene Cacau fand überhaupt keine Bindung zum Spiel. Das lag aber nicht nur an der Formschwäche des Stuttgarters, sondern auch an der Systemumstellung Löws, der nach dem Ein-Stürmer-Spiel in Russland zum 4-3-3 zurückgekehrt war.
Doch weder Cacau noch Lukas Podolski auf der linken Seite schafften es, in den Rücken der finnischen Abwehr zu kommen. Auch Mario Gomez blieb in der Mitte praktisch wirkungslos. Erst mit der Einwechslung von Özil und einer taktischen Umstellung zum 4-4-2 wurde es besser. Vor allem der Bremer sorgte im Mittelfeld für die eine Halbzeit lang vermissten Impulse.
In Moskau war Rene Adler unüberwindlich, doch gegen die Finnen wurde er nach Fehlern seiner Vorderleute früh bezwungen: Andreas Beck verlor auf der rechten Abwehrseite das Laufduell gegen Roni Porokara, dessen Flanke erwischte Roman Eremenko mit dem Kopf vor Lahm und Johansson konnte in seinem 100. Länderspiel zur finnischen Führung abstauben, weil Heiko Westermann nicht eingriff.
Ballack versuchte eine schnelle Antwort, doch der Weitschuss des Kapitäns flog knapp über den Torwinkel (16.). Weitere Angriffsbemühungen der deutschen Elf endeten meist schon weit vor dem Strafraum der Gäste. Beim Schuss von Eremenko (34.) verhinderte Adler sogar einen höheren Rückstand. Nach ideenlosen ersten 45 Minuten wurden die deutschen Spieler vom erwartungsvollen Hamburger Publikum mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Halbzeitpause verabschiedet.
Özil für den schwachen Hitzlsperger und Christian Gentner für Ballack brachten endlich mehr Schwung in die Aktionen der Hausherren, doch zunächst war einmal mehr Adler gefordert, der einen Schuss von Eremenko (49.) meisterte. Klare deutsche Chancen blieben dagegen auch im zweiten Durchgang zunächst Mangelware.
In der 61. Minute musste Jussi Jääskeläinen erstmals zupacken, als Niklas Moisander einen Trochowski-Schuss Richtung eigenes Tor abfälschte.
Erst im Schlussspurt stemmte sich die deutsche Elf energisch gegen die drohende Pleite und wurde belohnt durch das 35. Länderspiel-Tor Podolskis, der den Ball aus kurzer Distanz über die Linie stocherte. Größere Chancen zum Ausgleich hatten zuvor Miroslav Klose (84.) und Mesut Özil (85.) vergeben.
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