WLAN für jedermann: Alle ins Netz!
Die Initiative Freifunk will einen kostenfreien Zugang zum Internet für Jedermann ermöglichen. Schwierigkeiten bereitet dabei die unklare Rechtslage.
HAMBURG taz | „Immer mehr Leute sind dabei“, freut sich Jan Heller. Der 31-Jährige ist Mitglied bei Freifunk Hamburg. „Nach der Gründung im November vergangenen Jahres sind in nur drei Monaten über 100 Menschen beigetreten.“
Freifunk versucht, in ganz Hamburg ein frei zugängliches WLAN-Netz aufzubauen, über das der Zugang ins Internet möglich ist. „Alle sollen Zugriff bekommen“, sagt Heller, der in Hamburg-Dulsberg lebt und als IT-Berater arbeitet. „Auch Leute, die sich sonst vielleicht keinen Internetzugang leisten können.“ Jeder, der das WLAN-Netz mit der Bezeichnung „hamburg.freifunk.net“ findet, kann sich kostenlos einwählen. Und das nicht nur in Hamburg: Freifunk-Aktivisten gibt es in allen deutschen Großstädten, die Netze heißen entsprechend: „städtename.freifunk.net“.
„Es gab bis jetzt drei große Wellen des Mitgliederzuwachses“, erklärt Gründungsmitglied Jürgen Neumann, „der jüngste große Anstieg ist wohl auf die Ankündigung der Telekom, ihre Internetgeschwindigkeit zu drosseln, zurückzuführen.“
Kostenloser mobiler Zugang zum Internet ist in Deutschland vergleichsweise selten.
In Estland ist der Zugang zum Internet dagegen sogar gesetzlich garantiert: Rund 99 Prozent des Landes sind mit kostenlosen Hotspots abgedeckt.
In Paris gibt es über 400 Hotspots, an denen die Menschen sich kostenfrei ins Internet einwählen können.
New York richtet zunehmend freie WLAN-Zugänge in Parks und Telefonzellen ein.
Der Berliner Senat würde gerne in diesem Jahr flächendeckend kostenloses WLAN in der City einführen. Zuvor wollte er durchsetzen, dass etwa Cafés nicht länger für Downloads ihrer Gäste haftbar sind. Die Bundesregierung sieht aber keinen Handlungsbedarf.
Jan Heller hilft, wenn jemand bei der Initiative mitmachen möchte. „Für Neueinsteiger modifizieren wir WLAN-Router oder bieten bereits umgebaute Geräte an.“ Diese kosten zwischen 15 und 25 Euro. Die Freifunk-Router verbinden sich dann untereinander. So entsteht ein flächendeckendes Netz. Je mehr Leute mitmachen, desto dichter und schneller wird das Netz.
Aktuell gibt es in Hamburg 201 Freifunk-Router – Tendenz steigend. „Um einen Stadtteil ausreichend abzudecken, benötigt man etwa 500–100 Router“, schätzt Heller. „Es liegt also noch viel Arbeit vor uns.“
Auch andernorts im Norden wächst das Freifunk-Netz: In Kiel gibt es derzeit über 100 Freifunk-Router, in Lübeck sind es 147, in Rostock und Umgebung über 160. In Hannover befindet sich das Netz gerade im Wiederaufbau, nachdem es zwischenzeitlich inaktiv war. Zuvor gab es auch hier schon mehr als 100 Freifunk-Router.
Der Hamburger Senat befürwortet die Idee. „Es ist schön, dass Menschen Initiative ergreifen und den Ausbau eines kostenfreien WLAN-Netzes selbst in die Hand nehmen“, sagt Christoph Krupp von der Senatskanzlei. Auch die Stadt selbst hat damit begonnen, frei zugängliche Internet-Hotspots einzurichten, beispielsweise in den Öffentlichen Bücherhallen. Seit Dezember 2012 läuft auch ein Pilotprojekt der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH): Dabei steht den Fahrgästen in derzeit zwei Buslinien kostenfreier Internetzugang offen.
Staatsrat Krupp ist für die Ausweitung des öffentlich zugänglichen Internetnetzes: „Es macht die Stadt attraktiver und lebendiger.“ Offensiv unterstützen möchte er die Freifunker jedoch nicht – weil „es ein Problem ist, dass sie das Gesetz umgehen“. Das Problem: Für eventuelle Rechtsverletzungen, die über seine Leitung entstehen, muss zumeist der Betreiber des benutzten WLAN haften. Diese sogenannte „Störerhaftung“ gilt wiederum nicht für kommerzielle Internetanbieter, die sogenannten Access-Provider. „Ein ziemliches Durcheinander“, so nannte Neumann im vergangenen Jahr die Rechtslage.
Freifunk leitet alle Daten über einen niederländischen Provider um. Das bedeutet, dass die einzelnen Freifunk-Mitglieder rechtlich nicht belangt werden können. Aber sogar Jan Heller sagt, dies sei „nicht die schönste und sauberste Lösung“. Die „Störerhaftung“ stamme aus einer Zeit, in der man „im Internet und vor allem im WLAN nicht dieselben Möglichkeiten hatte wie heute“, sagt Heller. Benötigt wird eine neue gesetzliche Regelung.
Das sieht auch Christoph Krupp so: Auf Vorschlag der SPD-Bürgerschaftsmehrheit hat der Hamburger Senat eine Bundesratsinitiative veranlasst. Im Oktober vergangenen Jahres forderte die Länderkammer die Bundesregierung dazu auf, die aktuelle Gesetzeslage zu überprüfen. Die Regierung hält allerdings, wie sie im März bekannt gab, eine „gesetzliche Regelung zur Beschränkung des Haftungsrisikos für WLAN-Betreiber weder für geeignet noch für erforderlich“.
Kein Problem mit den Freifunkern haben übrigens die potenziell davon betroffenen Konkurrenten: „Das ist für uns kein kommerzielles Thema“, sagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) – also der Telekommunikations-Unternehmen, die Internetzugänge und Flatrates verkaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?