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Archiv-Artikel

WESTERWELLE UND DIE FDP KÖNNEN MIT JÜRGEN MÖLLEMANN GUT LEBEN Partei der Ehrenhaften

Jürgen W. Möllemann hat einen Sieg gegen die FDP-Spitze errungen. Scheinbar ist der Vorgang gravierend: Teile einer Landtagsfraktion widersetzen sich erfolgreich dem Parteivorstand. Doch tatsächlich können alle gelassen bleiben. So jedenfalls legt es die FDP-Historie nahe, die jüngst einen halbwegs vergleichbaren Fall zu bieten hatte.

Im Februar 2000 weigerten sich die hessischen Liberalen, die Koalition mit der Union aufzukündigen. Damit verweigerten sie sich der FDP-Bundesspitze, die darauf bestand, sich von den schwarzen Spendenkassen der Hessen-CDU zu distanzieren. Viele dachten zwar, dieser Konflikt müsste die Partei zerreißen, aber tatsächlich war es eine gelungene Arbeitsteilung: In Hessen konnten die Liberalen mit ganzen 5,1 Prozent der Stimmen weiterhin zwei Ministerposten okkupieren. Die Bundespartei wiederum bewahrte in der öffentlichen Wahrnehmung ein wichtiges politisches Gut – ihre Glaubwürdigkeit. Die Aufregung über die Spendenpraxis ließ die Liberalen als eine Partei der Ehrenhaften erscheinen. Nicht unwichtig, hatte man doch selbst schon Spendenskandale hinter sich.

Nur einer wirkte ein wenig angeschlagen: der damalige Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt. Er musste alsbald weichen, Nachfolger wurde Generalsekretär Guido Westerwelle. Doch fiel Gerhardt nicht ins Bodenlose. Er ist Fraktionsvorsitzender im Bundestag, und wie sich jetzt zeigt, ist diese Position sowieso viel bequemer, weil der Ärger mit den Regionalparteien entfällt.

So könnte es wieder laufen. Die Bundes-FDP hat Möllemann und seine latent antisemitischen Flugblätter kritisiert. Wieder glänzt der Schein der Ehrbarkeit. Umgekehrt kann die FDP in Nordrhein-Westfalen mit Möllemann leben, solange der nur ein bisschen Disziplin aufbringt. Denn wie die nächsten Landtagswahlen ausgehen, hängt kaum von den Liberalen ab. Der Auftritt der großen Parteien entscheidet, ob die FDP als Mehrheitsbeschaffer und Protestpartei gebraucht wird. Und Westerwelle? Ihm dürfte es wie ehedem Gerhardt ergehen: Sein Renommee ist zwar ein bisschen stärker ramponiert, aber an der Parteispitze wird er weiter mitmischen. Wo auch immer.

ULRIKE HERRMANN