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Archiv-Artikel

WERONIKA PRIESMEYER-TKOCZ ZU POLENS UMGANG MIT DER FLUGZEUG-TRAGÖDIE Polen trauern anders

Seit Samstag geht in Polen nichts mehr seinen gewohnten Gang. Eine einwöchige Staatstrauer wurde verhängt. Aber auch so käme niemand auf die Idee zu feiern. Die Kirchen erleben einen lange nicht mehr gesehenen Ansturm, zahleiche Veranstaltungen wurden abgesagt. Selbst Shoppingzentren, sonst am Sonntag geöffnet, machten diesmal ihre Türen zu.

Polnische Trauer ist anders. Sie analysiert nicht die äußeren Ursachen, sondern sucht nach einer mystischen Verbindung zu den historischen Ereignissen von einst, als die polnischen Offiziere vom sowjetischen Geheimdienst in Katyn ermordet wurden.

Polnische Trauer dauert lange und nimmt sich viel Zeit. Mag sein, dass es anderswo wichtig ist, so schnell wie möglich die Ursachen zu klären, die Flugschreiber zu entziffern und die Schuldigen zu identifizieren. In Polen steht der einzelne Mensch, nicht der menschliche Fehler im Zentrum.

Polnische Trauer vereint. Die ideologischen Unterschiede, religiöse Zugehörigkeit oder die Weltanschauung spielen im Angesicht dieser Tragödie keine Rolle mehr. Tausende von Menschen sammeln sich auf den Straßen und legen Blumen nieder, zünden Kerzen an, singen und beten gemeinsan. Selbst die gespaltene politische Szene zeigt sich vereint wie lange zuvor nicht. Über personelle Entscheidungen wird nur am Rande dieser Trauer und nur sehr leise gesprochen.

Oft wirkt diese Trauer übertrieben, theatralisch. Donald Tusk, der polnische Premierminister und politischer Rivale von Lech Kaczyński, soll geweint haben, als er von der Tragödie erfahren hat. Der russische Premierminister Putin wurde zum mitfühlenden Freund. So halten es Polens Medien für die Öffentlichkeit fest.

Es ist jetzt noch zu früh, zu fragen, was nach der reinen Trauer kommt. Dieser Zeitpunkt wird erst im Laufe der Gedenkwoche kommen.

■ Die Autorin ist Studienleiterin der Europäischen Akademie Berlin