WERBEPAUSE : Werde Unternehmerin!
Diese Frau ist glücklich! Das sieht man auf den ersten Blick. Ihr Gesicht ist freundlich, die Körperhaltung locker, einnehmend blickt sie die BetrachterInnen aus dem Anzeigenfenster an, die Augen ein bisschen schmal vom breiten Lächeln, und sogar ein paar Lachfältchen hat die verantwortliche Agentur Fischer-Appelt stehen gelassen. Aber warum ist die Frau so glücklich? Sie hat ihren Job an den Nagel gehängt. „Redakteurin. Depression. Heute Unternehmerin“, fasst der Claim ihre Geschichte zusammen. Nina Schmitz, Protagonistin der Kampagne der Techniker Krankenkasse (TK), die für individuelle Wege aus der Krankheit sensibilisieren will, hat sich also selbst verwirklicht, sich selbstständig gemacht. Kurz: Sie ist Unternehmerin geworden – und nun Teil jener Berufsgruppe, die am häufigsten von Depressionen betroffen ist.
Der Journalistenjob ist hart. Klar. Aber Selbstständigkeit als Exitstrategie aus Überforderung und Leistungsdruck? Eher nicht. Unternehmer, das sind jene, die für sich selbst verantwortlich sind und also auch für den wirtschaftlichen Misserfolg persönlich geradestehen müssen. Sie haften mit ihren Ideen, ihrer Leistung, ihrer Existenz.
In der maßgeblichen Literatur gilt das Unternehmertum mit seinem Ethos von Selbstverwirklichung als Hauptauslöser der Depressionen – „Volkskrankheit Nummer 1“. Abgelöst hat sie damit die Neurosen, die Freud als Krankheit der Moderne ausgemacht hatte, eine Reaktion auf rigide Regeln, Gehorsam, Disziplin. Heute regiert der Zwang zur Initiative: Sei kreativ! Finde deinen Weg! Alles ist möglich, theoretisch. Wer scheitert, ist selbst schuld. Die Depression ist Kehrseite dessen, die Kapitulation vor den Möglichkeiten, vor der absoluten Verantwortung für sich selbst. Dazu passt der Schlüsselsatz des zugehörigen Kampagnenvideos: „Ich weiß, ich kann hart arbeiten, schnell arbeiten – aber eben für mich.“ Und auf meine Verantwortung. SVO