WER MENSCHEN KLONEN WILL, MUSS KLEIN ANFANGEN: Köder der Utopie
Als vor gut drei Jahren Klonschaf Dolly das Licht der Welt erblickte, waren sich alle einig: Geklonte Menschen darf es niemals geben. Nur Fantasten träumten weiter vom biologischen Ich im fremden Anderen. Inzwischen jedoch bröckelt die ehedem so einheitliche Front. Während die Lämmer schweigen, wächst der Reiz der Duplikate.
Durch die Hintertür des „therapeutischen Klonens“ scheint die Vervielfältigung des Menschen zunehmend akzeptabel zu werden. Schließlich geht es dabei „nur“ um die Vervielfachung einzelner Organe und Gewebe, die außerdem der Behandlung Schwerkranker zugute kommen soll. Ersatzorgane zur Transplantation sollen mit Hilfe embryonaler Stammzellen gezüchtet werden. Deren Gewinnung ist in Deutschland noch verboten. Immerhin werden dabei Embryonen „verbraucht“.
Als „Köder der Utopie“ hat der Philosoph Hans Jonas Heilsversprechen bezeichnet, mit denen umstrittene Techniken konsensfähig werden sollen. Die britische Regierung scheint bereits angebissen zu haben: Sie will das therapeutische Klonen in Großbritannien voraussichtlich ab Herbst ermöglichen. Mit der Aussicht auf Therapie hat sich in Forschung und Medizin bisher noch fast jedes Tabu brechen lassen. Durch die in dieser Woche bekannt gewordenen Ergebnisse australischer Forscher, die aus embryonalen Stammzellen in Mäusen Nerven und Muskeln, Leber, Niere und Gehirn züchteten, scheint ein weiterer ethischer Dammbruch unmittelbar bevorzustehen.
Deutsche Wissenschaftler fordern bereits seit Monaten vehement eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes von 1991. Immer häufiger gibt es Diskussionen, unter welchen Umständen es nicht vielleicht doch geboten wäre, das therapeutische Klonen hier zu Lande zuzulassen. Und wenn die Ankündigung von mehr Gesundheit und Leidenslinderung nicht hilft, haben die Wissenschaftler noch ein anderes bewährtes Argument parat: die Drohung, dem Forschungsstandort Deutschland den Rücken zu kehren. WERNER BARTENS
Redakteur der „Badischen Zeitung“ und Autor des 1999 bei K. Blessing erschienenen Buches „Die Tyrannei der Gene“
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