WENN DIE GEDANKEN SITZBLOCKADE MACHEN : Alles drin im Kopf und vielleicht doch nicht so toll
Julia Seeliger
Ruhig fließt das Wasser die Winterspree herunter. Über die Brücke. Da unten wummert es. Eine illegale Party, im Februar, draußen? Nein, es ist ein ganz normaler Berliner Club. Da war ich noch nie, aber die blassen Typen, die da am helllichten Tag einchecken, wissen Bescheid.
Mein Leben ist gerade sehr gesund. So wie die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt gehe auch ich nicht auf Technopartys. Zurzeit.
Zurzeit schreibe ich ein Buch über das Trollen. Also über zerstörerische Kommentare, vor allem das Internet mit seiner Schriftlichkeit ist da wichtig. Neue Gedanken, gutes Thema – doch die Gedanken wollen nicht raus aus meinem Kopf. Es ist wie mit der Diplomarbeit. Man schiebt das so vor sich her. Es gibt Zeiträume, in denen man die Worte in sich aufsteigen fühlt – das sind aber die, in denen man so rumliegt und keinesfalls einen Computer da hat. Diese ganze Trolltheorie, alles im Kopf drin und am Ende ist es ja vielleicht doch nicht so toll. Vielleicht will das ja keiner lesen, was ich da jahrelang im Internet erlebt habe. Die ganzen Shitstürme, die wir durchsegelten. Der Offline-Stalker. Trollen als Zweikampf, wie bei Monkey Island. Trollen als Praktik, die eingefahrene Gedanken neu befruchten kann – das könnten ja auch alles Quatschideen sein. Solche quälenden Gedanken machen mir das Leben schwer.
Es ist Jammern auf hohem Niveau. Andere haben es schlechter, mahnt das Waschbetongebäude gegenüber. Wohl eine Druckerei. Ständig scheinen da die Menschen nicht etwa zu tanzen, sondern, ja, zu arbeiten! Ich beobachte: Menschen an großen Bildschirmen, die türkische Putzfrau am Feierabend. Draußen rauchen Leute, und Paletten werden geschreddert.
Im Papierbergwerk könnte ich ja auch enden. Ob jetzt in einer Druckerei oder im Social Media Bereich. Beides ist hart. Da ist es doch besser, arbeiten zu können, wann und wie man will. Das Waschbetonhaus ist mir eine echte Warnung. Kein Waschbetonhaus, mehr Freiheit. So einfach ist das.
Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe
Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei
Freitag Jürn Kruse Fernsehen
Montag Martin Reichert Back on the Scene
Dienstag Deniz Yücel Besser
So lasse ich also die Angst vor dem Egokapitalismus hinter mir, denn bislang hat er mir ja nicht so sehr geschadet. Ich bin klein, brauche wenig Wohnraum und nicht viel zu Essen und bin Luxus, außer in Hotels, eh nicht gewöhnt. Autoren haben schon immer von wenig Geld gelebt. Es gibt Freiräume, gerade in Berlin. Und nur, weil meine Freunde alle besser verdienen als ich, sind sie ja keine anderen Menschen geworden. Wie das mit meiner Rente sein soll, vergesse ich einfach für die nächsten Jahre wieder. Vielleicht kommt ja ein Bucherfolg. Oder ich kann von Flattr und anderen Micropayment-Systemen leben. Mit 40 kann ich ja im Notfall reich heiraten. Falls da mal wieder einer kommt.
Gerade bin ich allein, aber alles, was ich jetzt mache, mache ich selbst. So muss nur noch das Trollbuch raus aus meinem Kopf. Wie bei Peter Licht, „Wir werden siegen“. Die Gedanken in unseren Köpfen riefen „Ihr kriegt uns hier nicht raus“. Die Gedanken machen in meinem Kopf eine Sitzblockade. Die Arbeitsfleißpolizei müsste sie mal abräumen. Oder ich schaffe das selbst.