WENN DER MANN VON DER SOZIALISTISCHEN SPLITTERPARTEI MIT SEINEM SEGELBOOT KENTERT, MUSS ER NICHT GLEICH GERETTET WERDEN. ES SEI DENN, ES FLIESST BLUT: Schiffbruch und Ersatzkaffee
Vogelfluglinie
von Rebecca Clare Sanger
Hab ich dir eigentlich erzählt“, fragt mein Mann, „dass gestern ein Mann gekentert ist?“
„Naah“, sage ich und warte ab. Mein Mann arbeitet auf der Fähre, und der Ersatzkaffee in meinen Händen wird bald nach Ziege schmecken. Im Moment schmeckt er noch normal, ein wenig würziger vielleicht als mit Kuhmilch. „In seinem Segelboot“, erklärt mein Mann. „Ich wusste erst mal gar nicht, was er machen will. Wieder einsteigen vielleicht, aber dann ist er mit dem Boot in Richtung Bogø gewatet.“
„Naah“, sage ich, und „uagh“: Da ist sie, die Ziege im Ersatzkaffee: Als hätte ich ein Haar mit aufgebrüht.
„Bei meinem nächsten Halt auf Bogø“, sagt mein Mann, „erzählte ich dann Kenneth und Konsorten, was passiert war. Kenneth meinte: Der ist selbst schuld.“
Kenneth sitzt an den Wochenenden in dem kleinen Fischerhäuschen neben dem Imbiss, wo er in Tarnbekleidung tarnbekleidete Netze flickt und Bier trinkt mit allen, die ihn besuchen im Laufe so eines Tages. Kenneth ist ein bisschen dick, nicht besonders alt, und hat einen ausrasierten Nacken. An einem Wochenende habe ich auch mal den Kopf zur Tür des kleinen Häuschens hineingesteckt: Ich solle nicht das Preisschild am Nacken meines Mannes abmachen, schäkerte Kenneth –dann könne ich ihn immer noch umtauschen. Mir fiel darauf keine Antwort ein.
Preben sei immer so dickköpfig und fahre unbelehrbar bei jedem Wind und Wetter auf seiner Jolle raus, habe Kenneth gesagt, sagt mein Mann. Und dass es Preben also ganz recht geschehe, dass er kentere –„und außerdem ist er Kommunist“.
„Ach was“, sage ich interessiert. Preben Wilhjelm, Atomphysiker und Begründer der nun nicht länger existierenden „linken Sozialisten“ (VS), der radikaleren Absplitterungder SF –der „sozialistischen Volkspartei“ –, dieser Preben also watete durch das laue Wasser der Meeresenge zwischen Bogø und Stubbekøbing, und als mein Mann wieder mit der Fähre an ihm vorbeifuhr, sah er, wie er sich in regelmäßigen Abständen mit der Hand das Blut von der Stirn wischte und die Hand im Meerwasser wusch.
„Da hab ich dann doch den Krankenwagen gerufen“, erzählt mein Mann, und das habe Søren von der Hafenaufsicht in Bogø durchaus gutgeheißen, „das ist ja doch keine Lappalie, da kann ja doch mal was im Dutt sein“.
Inzwischen sind wir im Wohnzimmer und sehen am Computer, wie Preben Wilhjelm redegewandt die Handvoll Fernsehkommentatoren, die Dänemark zu bieten hat, um den Finger wickelt. Und wie er junge Chefredakteure von noch jüngeren Wirtschaftsmagazinen durcheinanderbringt mit seinen Definitionen von Arbeit und Kapital.
„Und?“ frage ich am nächsten Tag auf Bogø einen Fischer, der gerade auf dem Weg zu seinen Netzen ist, „das war ja ein Ding mit Preben ... wie geht es ihm inzwischen?“ „Naah“, sagt der Fischer, „doch, doch, ausgezeichnet, ausgezeichnet.“ Er hat orangefarbene Arbeitshosen an, ich trage eine Badehose und schwimme im Wasser, das ruhig da liegt zwischen Land und Himmel. „Er ist eben so dickköpfig wie ein Esel. Irgendwann musste es ja passieren.“
Drüben beim Imbiss schließt Rosa klirrend auf, für die ersten Kaffeekunden, daneben steckt Kenneth den Kopf aus der Tür des Fischerhäuschens. Auf dem Bollwerk streckt ein Kormoran seine Flügel aus, zum Trocknen.
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