WELTREISE DURCH WESTAFRIKA :
■ Cheikh Lo: Balbalou (Chapter Two/Indigo)
Der Magier des Mbalax
Mit seinem Dreadlocks sieht er aus wie ein Rastafari. Doch Cheikh Lo gehört dem Baye-Fall-Zweig der Mouridiyya-Bruderschaft an, wie sich die Anhänger des legendären senegalesischen Sufi-Scheichs Amadou Bamba nennen. Ihr spiritueller Ansatz verhält sich zum Steinzeit-Islam von Boko Haram wie Franz von Assisi zu Anders Breivik. Auf „Balbalou“ wartet der Magier des Mbalax mit dezenten Sabar-Rhythmen und Melodien auf, die er mit dem zarten Schmelz seiner zuckersüßen Stimme überzieht. Wie es sich für eine französische Produktion gehört, finden sich auf „Balbalou“ gleich mehrere Kollaborationen mit Künstlern, die in Frankreich einen guten Namen haben, darunter die Brasilianerin Flavia Coelho, der Neo-Musette-Akkordeonist Fixi und die Sängerin Oumou Sangaré aus Mali. Ihr Duett ist eine Anklage gegen all jene afrikanischen Staatschefs, die die Macht mit Gewalt an sich reißen und ihre Länder ins Unglück stürzen.
■ Hindi Zahra: Homeland (Nonesuch)
Lost in Marrakesh
Mit ihrem Hit „Beautiful Tango“ hat sich die Sängerin Hindi Zahra vor Jahren in die Herzen vieler Fans gesungen. Für die Aufnahmen zu „Homeland“ zog sich die französisch-marokkanische Songwriterin in ihr Geburtsland zurück, um neue Inspiration zu tanken. Der Opener „To the Forces“ kommt auf wuchtigen Berber-Beats daher, und Hindi Zahra singt in ihrer Muttersprache Amazigh. Doch die Texturen ihrer Stücke sind so komplex wie die Muster der Teppiche, die im Atlasgebirge gewebt werden, und die Stimmung so elektrisierend wie die Nächte von Marrakesh. Hindi Zahra verbindet psychedelischen Rock und Wüstenblues, französisches Chanson und Sufi-Rhythmen aus dem Iran, experimentiert in ihren Songs mit Rhythmen aus Südamerika, Indien und dem Nahen Osten oder lässt sich von den Mornas einer Cesária Évora leiten. Und nein, mit der gleichnamigen TV-Serie hat das Ganze nichts zu tun.
■ Terakraft: Alone (Outhere Records)
Grunge in der Sahara
Die Tuareg sind die Verlierer des Kriegs in Nordmali, aufgerieben zwischen den Islamisten-Milizen und der Zentralregierung in Bamako. Zornig und ungewohnt rockig klingen Terakraft auf ihrem neuen Album „Alone“, als wollten sie die Verstärker aus Protest ganz laut aufdrehen, um zu zeigen, dass sie auch noch da sind. So klingt es, wenn Träume zerbrechen, so wie der von einem eigenen Touareg-Staat. Nach ihrer Abspaltung von der Band Tinariwen haben der Gittarist Diara und sein Neffe Sanou eine Art Grunge-Spielart des Wüstenblues entwickelt, als Produzenten konnten sie den britischen Mali-Profi Justin Adams gewinnen. Der Monstergroove von Songs wie „Karambai“ ist so erfrischend wie ein Schluck Wasser in der Wüste, als sei Neil Young in der Sahara gestrandet. Die Ansage ist klar: Der Krieg ist vorbei, die Karawane rockt weiter.