WELCHE VERANTWORTUNG TRÄGT DER STAAT FÜR DAS DOPINGSYSTEM? : Schäubles kosmetische Korrekturen
Der Sportminister gibt sich aktionistisch. Seit eineinhalb Wochen leidet Wolfgang Schäuble unter dem Schock, den die Doping-Geständnisse von ehemaligen Telekom-Radlern – und vor allem dreier Sportmediziner der Universität Freiburg – ausgelöst hatten. Der Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes wurde flugs geändert und soll durch die gesetzgeberischen Instanzen gepeitscht werden. Jetzt will Schäuble auch noch eine Task Force ins Leben rufen, die untersuchen soll, ob in der Vergangenheit Gelder der staatlichen Sportförderung missbräuchlich verwendet wurden. Jeder soll sehen: Der Sportminister handelt.
Gut 100 Millionen Euro gibt das Innenministerium für Sportförderung jährlich aus. Der Großteil davon fließt in den Spitzensport. Damit bei sportlichen Großereignissen möglichst oft die deutsche Nationalhymne zu hören ist, zahlt der Staat jede Menge Geld an Verbände, er unterhält Bundesleistungszentren und fördert Olympiastützpunkte. Der Sport habe, so heißt es offiziell, eine „Aufgabe für die gesamtstaatliche Repräsentation“ zu erfüllen. Als „Botschafter in Trainingsanzügen“ wurden auch die Staatsprofis der DDR immer bezeichnet. In der Bundesrepublik ist das nicht viel anders. Insofern ist auch der Staat ein handelnder Teil des Dopingsystems.
In den vergangenen Tagen war viel von den Sponsoren zu lesen und vom unmoralischen Druck, den sie direkt oder indirekt auf die Sportler, die auf sie angewiesen sind, ausüben. Diesen Druck übt auch der oberste Sportförderer Schäuble aus. Der Verband, der bei Olympia leer ausgeht, erhält weniger Bundesmittel – so lauten die Regeln des Förderwettbewerbs. Viel zu selten – oft gar nicht – wurde in der Vergangenheit darauf geachtet, auf welche Weise deutsche Athleten zu ihren Erfolgen kamen.
Nun sollte die Zeit endlich reif sein für eine kritische Sportförderung, bei der nicht allein der Blick in den Medaillenspiegel zählt. Nicht nur der Beste sollte gefördert werden, sondern auch der Sauberste – auch wenn Deutschland in der Nationenwertung dann ganz hinten liegt. ANDREAS RÜTTENAUER