WEDDINGER LUFT : Mit großem Gerät
Bei Beppo, dem Straßenkehrer, machte es noch „krsss, krsss“, wenn er mit seinem Besen über die Stadtoberflächen strich. Schritt für Schritt, „krsss“ für „krsss“. Bis die Straße sauber war. Aber das war 1973, und da taugte ein hippiemäßiger Strubbeltyp wie der Straßenkehrer aus Michael Endes Kinderroman „Momo“ noch als Role Model. Der moderne Mann gibt sich mit einem leise klingenden „krsss“ mitnichten zufrieden. Warum auch? Kehren ist Kampf, nicht Meditation.
Wochenmarkt im Wedding: Zweimal die Woche wird der Parkplatz hinterm Rathaus beim Leopoldplatz zum Zentrum einer türkisch-afrikanisch-deutschen Kleinstadt. Es gibt Gemüse, Obst, Simitringe und Lokum, Mode aus Paris, Schafsköpfe für einen Euro das Stück und einen depressiv wirkenden deutschen Kartoffelverkäufer mit Moorsieglinde im Angebot. Und zweimal die Woche schuften am Nachmittag viele starke Männer, um aus dem Marktschlachtfeld wieder einen ordentlichen Parkplatz zu machen: Kisten zusammenpacken, unter großem Hallo zurück in die Lastwagen hieven, und am Schluss wird, nun ja: gefegt.
Der moderne „Straßenkehrer“ ist kein Beppo. Er erinnert eher an Bruce Willis, der in „Men in Black III“ den allzu weibisch wirkenden Will Smith ersetzt hat und mit großem Gerät gegen kleine Aliens kämpft. Ein motorsägenähnliches Ding locker um die Schulter geschlungen, so dass es an der Hüfte sitzt, hält er in der rechten Hand lässig ein langes Rohr. Daraus strömt mit einem Geräusch, das irgendwo zwischen einer startenden Simson Enduro und einem Porsche Cayenne liegt, an dem sich ein durchgeknallter Sounddesigner ausgetobt hat: Luft. Sie befördert die herumliegenden Marktüberbleibsel unter großem Gedröhn auf eine Art Haufen. Wow. Wer will schon ein leises „krsss, krsss“, wenn es auch mit einem lauten „Njrömmm!, njrömmm!“ geht.
KIRSTEN REINHARDT