WAS MACHT EIGENTLICH ...der Spargel? : Munden
Andere Länder, andere Speisen: Immer wieder suchen wir den wohligen Schauer, der sich beim Betrachten exotischer Essgewohnheiten einstellt. Was, denken wir dann, denken die sich bloß dabei? Anderen geht das genauso. Zum Beispiel dem Deutschlandreporter der New York Times: Der unternahm jetzt den Versuch, einem amerikanischen Publikum die Spargelhysterie der Deutschen, namentlich: der Berliner zu erklären.
„They call the annual season of madness ‚spargelzeit‘ “, schreibt R. W. Apple jr. und schildert dem erstaunten Ostküstenleser, wie sich deutsche Hauptstädter herdenartig ins Auto schwingen („the family Volkswagen or Mercedes“) und nach Beelitz („a modest market town“) einfallen, um die elfenbeinfarbenen Triebe gleich am Bierzelttisch zu verspeisen („to the accompaniment of an oompah band“) oder voller Stolz nach Hause zu tragen.
Asparagus officinalis gibt’s zwar fast überall, in Deutschland aber, so Apple jr., esse man nur die Stängel, die in den Sandböden der Region sprießen. Stimmt leider nicht, aber der Mann kauft wohl kaum griechische Ware bei Penny an der Ecke. Vielmehr, verrät er, zaubere Kolja Kleeberg vom „Vau“ am Gendarmenmarkt faszinierende Kompositionen aus Spargel, Krebsen und Eiern. Lecker auch das Edelgemüse bei Lutter & Wegner („a cozy weinstube“) und unschlagbar die zarten Gewächse, die ihm eine deutsche Freundin namens „Ragnhild“ auf von Karl Friedrich Schinkel entworfenem Geschirr kredenzt. Gegönnt sei’s ihm. Aber eins verschweigt der gute Mann: dass der Urin später so komisch riecht. Das bleibt dann eben unser kleines Geheimnis. CLP FOTO: AP