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Archiv-Artikel

WAS MACHT EIGENTLICH ...Frank Henkel? Einsichtige Großstadt-Prosa mit Tor

Von HÖH

Kaum hat man sie ausgeschlafen, die Kulturtrunkenheit nach Bill Clintons Buchvorstellung in Berlin: „Mein Leben“, schon macht der Katerkopfschmerz vom Literaturrausch widerwillig Platz für die drängende Frage: Bedichten denn alle ihr Leben und keiner Berlin?

Nein, nicht alle. Gerade wird die Spreemetropole Zeuge, wie in ihrer Mitte einer die Leiter zum Dichterfürstentum erklimmt: Frank Henkel. Im März schon hatte die taz über seine Jugendwerke berichtet, erschienen bei „CDU-Fraktion Berlin“. Sein neues Werk nun ist reifer, ist mutiger, ein Durchbruch der Großstadtliteratur. Schon der Titel provoziert: „Freie Sicht auf das Brandenburger Tor.“ Gekonnt komponiert er heimatlich Konkretes – das Tor – und kühne Vision – freie Sicht – und enthüllt so den vermeintlich wahren Traum der einst geteilten Statt: Nicht mehr um die freie Durchfahrt geht es bei Henkel, nein, um mehr, um Großes: um Einsicht. Um freie Sicht. Auf unser Tor. Das die BVG gerade mit Brettern verdichtet, um für das Kanzler-U-Bähnchen U 55 zu buddeln. Dann: „Gitter- statt Bretterzaun.“ Andenkend schweigt man einen Moment, getroffen von Henkels Wörterspitzen. Das hat vorher noch keiner so auf den Punkt gebracht: leichtfüßig und doch tiefgründig. Im Spiel der Laute entsteht Wohlklang: Gitter- statt Bretter-. Da hört man sie, da sieht man sie förmlich, die Bretter, die unser Tor verstellen. Das ist Großstadtdichtung! Zu viel Zeit war schon vergangen, seit 1929, seit Alfred Döblin „Berlin Alexanderplatz“ schrieb. Lesen Sie nun also: Frank Henkel, „Berlin Pariser Platz“. HÖH FOTO: ARCHIV