WAS MACHT EIGENTLICH ... die Platte? : Verwurzelt sein
Sie gelten als die Monster des modernen Städtebaus. Die Plattenbausiedlungen waren und sind das Gegenteil von Urbanität. Und seit der rechte Mob – siehe Rostock-Lichtenhagen – als Bewohner der „Arbeiterschließfächer“ identifiziert wurde, ist es ganz aus mit jedwedem Verständnis für WBS 70 und dessen Zukunft. Auch der Ostberliner Bezirk Marzahn, wo zu DDR-Zeiten noch fast 40.000 Menschen in der „Platte“ lebten, hat das Stigma des ungeliebten Betongettos an der Backe, das eher heute als morgen abgerissen und begrünt werden sollte.
Nichts von alldem hat wohl Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mitgekriegt oder im Sinn, setzte er doch gestern nach einem Marzahner Sightseeing zur Hymne auf die Platte an und machte gar Zuneigungen für diese aus. „Ich habe den starken Eindruck, dass dieser Stadtteil gewollt und gestaltet wird“, sagte Tiefensee. Es sei „sehr ermutigend, dass die Vorurteile gegen Plattenbauten und ihre Bewohner langsam abgebaut werden“. Und, als spräche er von einer alten schönen Stadt, es freue ihn am meisten, dass die Menschen so „verwurzelt“ dort seien. Nun ist Herr Tiefensee außer Minister auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung und muss darum wohl so daherreden. Die Platte und Marzahn werden aber darum nicht einen Deut beliebter. Und wenn das der Ostbeauftragte nicht glaubt, genügt ein Blick auf die Statistik: Die Platte in Marzahn ist so schön, dass seit 1989 rund ein Drittel der Bewohner – nämlich 12.000 – ausgezogen sind. Die sind jetzt woanders „verwurzelt“. ROLA FOTO: ARCHIV