WAS MACHEN EIGENTLICH ... die Senioren? : Vor Fantasie sprühen
Dass Jugendliche Wände, Autos und Bäume mit kryptischen Zeichen besprühen, um wie gassigehende Hunde ihr Revier zu markieren, können die allermeisten älteren Menschen nicht verstehen. Für sie ist das schlicht eine Verschandelung der Umwelt. Damit Senioren nun die Scheu vor dem Medium Sprühflasche verlieren, führt das Quartiersmanagement im Kreuzberger Wrangelkiez morgen einen Graffiti-Workshop durch, bei dem die älteren Herrschaften selber zur Dose greifen können. Großmäuliger Titel der Veranstaltung: „Senior Street Art“. Wesentliches Anliegen dabei sei, so die Veranstalter, „den Teilnehmern eine Kommunikationsform zugänglich zu machen, die ihrer Generation meist fern liegen“.
Wer weiß, vielleicht ziehen demnächst ja rüstige Senioren nächtens durch den Wrangelkiez und hinterlassen ihre Losungen: „Keine weiteren Rentenkürzungen!“, „Stoppt die Mehrwertsteuererhöhung!“, „Rente mit 67 ist so doof wie Knutschen erst mit 17!“ Schöner würde der Wrangelkiez deswegen zwar nicht, aber er bildete dann eine breitere Lebenserfahrung als bislang ab.
Stolz wie ein mit dem Filzstift herumschmierender Zehnjähriger würden dann die Senioren beim Gang zum Zeitungskiosk ihr Werk betrachten können und hinter vorgehaltener Hand prahlen: „Das war ich.“ Und wenn ein Hausbesitzer seinem Eigentum eine neue Farbe verpasst, weil er es meistbietend veräußern will, würde sich die Dosen schüttelnden Senioren nicht über das Verschwinden ihrer Parole ärgern. Nein, sie würden sich freuen, einen perfekten Untergrund für eine neue zu haben. ROT FOTO: ARCHIV