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Archiv-Artikel

WAS HÄLT MAN EIGENTLICH IN BRÜSSEL VOM WAHLKAMPF? Historisch, flüchtig, gut?

europa@taz.de

BONSE FRAGEN

Martin Schulz’ Pressemitteilung von heute hieß „Ask Martin today“ und forderte mich auf, „live in München“ mit dem SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl zu twittern. Das habe ich zwar nicht gemacht – irgendwie war der Hashtag #askmartin nicht sexy genug. Aber immerhin habe ich so auch in Brüssel gemerkt, dass tatsächlich Wahlkampf ist.

Daran könnte man sonst nämlich zweifeln. Im Brüsseler Europaviertel merkt man fast nichts: keine Plakate, keine Kandidaten, keine Debatten. Das Europaparlament ist verwaist, die EU-Kommission macht Business as usual, als habe sie ein Mandat für die Ewigkeit. Es ist fast wie im Auge des Orkans.

Vergangene Woche war das noch anders. Für einen Abend war Brüssel der Nabel der Welt, jedenfalls der EU-Welt. Nicht nur Schulz, auch seine Herausforderer Jean-Claude Juncker, Guy Verhofstadt, Ska Keller und Alexis Tsipras kamen, um live zu diskutieren. Da kam Stimmung auf. Die Grüne Ska legte einen tollen Auftritt hin, Schulz sah ziemlich alt aus. Plötzlich waren sie in Brüssel alle begeistert vom Wahlkampf. „Das Ereignis des Jahrhunderts, wir haben die Geburtsstunde der europäischen Demokratie miterlebt“, jubelte mein Kollege Jean Quatremer von der französischen taz-Schwester Libération. Zu dumm, dass man das in Berlin nicht mitbekam, weil die Debatte dort nur auf Phoenix lief.

Und so ist es verdammt schwierig, sich ein Bild zu machen. Der Wahlkampf findet überall gleichzeitig, meist aber woanders statt, er ist historisch und flüchtig, real und virtuell – und es ist immer noch nicht ganz klar, ob es einen richtigen Sieger geben kann – und was aus ihm dann wird. So klammern sich alle an die Umfragen, die aktuell einen Sieg der Konservativen vorhersagen. Oder der Linken, jedenfalls in Griechenland. Und was wird dann aus den Sozialdemokraten? Ask Martin! ERIC BONSE