WAHL: Klagen statt sparen
Neben der Linkspartei rückt auch der B+B-Club vom strikten Spardogma ab. Die Wählerinitiative versammelt mittlerweile eine ganze Reihe von Ex-Genossen der SPD
Wenns in der Politik Urheberrechte gäbe, müsste Die Linke jetzt gegen die Wählergemeinschaft "B+B" klagen. Denn bislang war Die Linke einzige politische Kraft in Bremen, die dem Konsolidierungskurs eine strikte Absage erteilt hatte. Genau das aber hat gestern der B+B-Club als sein Hauptanliegen vorgestellt. Sie will dafür per Normenkontrollverfahren vorm Bundesverfassungsgericht mehr Geld ins Land holen.
Aber im politischen Wettbewerb gehts um Mehrheiten, nicht um Autorschaft, und "wenn auch andere zur Einsicht kommen, dass der Konsolidierungskurs ruinös für Bremen ist", kommentiert daher Linken-Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp "kann ich das nur begrüßen". Allzu große Sorgen müsse Die Linke sich um den neuen Konkurrenten aber wohl nicht machen: "Wir fordern ja, die Bremen zustehenden Gelder in öffentliche Daseinsvorsorge zu investieren - und nicht in irgendwelche wirtschaftspolitischen Höhenflüge."
Das ist ein echter Unterschied: Denn B+B will neues Geld vor allem in Beton verwandeln, manchmal auch in Asphalt. Außerdem plant der Club, von Frank Haller inspiriert, "die Förderung touristischer Attraktionen", bekommt indes das Thema der sozialen Spaltung des Landes gar nicht auf den Radar.
Eher am Links-Milieu fischen die Macher in den Kreisen, die als "bürgerliches Lager" subsumiert werden, aber keine ökologischen Interessen haben: frustrierte Unions-WählerInnen, FDPler, denen Oliver Möllenstädt zu flegelhaft ist und die in Axel Adamietz einen alten Bekannten auf Listenplatz vier entdecken. Und vor allem: die Altbremer SPD. Denn neben dem ehemaligen Staatsrat für Großausgaben Haller sind auch der Politologe Detlef Griesche und der frühere Gesundheitsstaatssekretär Friedrich-Wilhelm Dopatka Ex-Genossen. Und Spitzenkandidat Michael Busch, Geschäftsführer der Handwerkskammer, war sogar mal Partei-Chef, wenn auch nur in Leverkusen-Nord.
"Wir haben ein Vorbild", sagt der 55-jährige denn auch. Er denkt an die Wählergemeinschaft Arbeit für Bremen (AfB), die 1995 auf 10,7 Prozent gekommen war und nennt "alles darunter eine Enttäuschung". Was kühn ist, denn er kann sich an Popularität mit Sparkassendirektor Friedrich Rebers nicht messen. Allerdings hat B+B auch einen unschätzbaren strategischen Vorteil: Versprechungen klingen ohne Spar-Dogma glaubwürdiger. Denn "es ist ja eben nicht so, dass die Regierung A sagt und die Opposition B", so Dopatka. "Die sagt ja A plus".
Das stimmt. Während im SPD-Programm zu lesen ist, dass "wir in den kommenden vier Jahren den Kurs der Haushaltskonsolidierung fortsetzen müssen", ist das FDP und CDU alles viel zu wenig. Die rhetorisch-schönsten Umschreibungen finden sich indes im Grünen-Programm, wo das Sparen mit einem Vokabular aufgebrezelt wird, als ginge es um den Erhalt von Feuchtbiotopen, den Ausstieg aus der Kernenergie oder Konsumverzicht: "Wir müssen uns auch von Gewohntem trennen", wegen der "Ressourcenverantwortung", und "generationengerecht" solls dabei zugehen. Wer könnte da noch dagegen sein?
Immerhin, mehr als die Hälfte der BremerInnen findet Finanzpolitik mittlerweile wichtig. Das hat die örtliche Konkret-Marktforschungs-Gesellschaft im Januar festgestellt und die Forsa-Umfrage des Weser-Kurier im Februar bestätigt. Sicher üben viele von denen mit Begeisterung Verzicht. Manche meinen aber doch, Bremen sei schon jetzt "runtergespart bis auf die Knochen", wie es im Die Linke-Programm heißt. Das widmet sich deshalb dem Auseinanderdriften von Wirtschaftswachstum und staatlichen Einnahmen und regt bundespolitische Maßnahmen wie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes an.
Davon will B+B freilich nichts wissen. "In der Analyse", sagt Dopatka zwar, "liegt der Herr Rupp gar nicht so falsch." Die Therapie finde er indes falsch. Die Verfassungsklage hat machtpolitisch den Charme eines gemeinsamen Projekts und dabei mindestens den Vorteil, nur Nicht-BremerInnen zu ärgern. Zugleich führen B+B für die Meinung, der eingeschlagene Sparkurs bedeute den Verlust von Bremens Großstadtfunktion - also der Kultur-, Freizeit- und Bildungs-Angebote - außer dem ehemaligen Kanzlerbrief-Bewahrer Günter Dannemann auch anerkannte Finanzwissenschaftler an, wie Rudolf Hickel oder den Kölner Wolfgang Kitterer.
Dass Berlins Verfassungsklage 2006 gescheitert war - weiß man. Beruft man sich sogar drauf. Doch das Verfahren habe damals auch einen Stadtstaaten-Ausgabenstandard von weniger als 95 Prozent von Hamburg als "verfassungsrechtlich problematisch" etabliert. Lege man das zugrunde, hätte Bremen Anspruch auf jährlich mehr als 800 Millionen Euro Konsolidierungshilfe - statt, wie bei der Föderalismuskommission ausgehandelt, 300 Millionen, so Adamietz. Mit den 300 Millionen jedenfalls landet Bremen bei 81 Prozent der Hamburger Ausgaben. Dafür hat der Senat auf die Klage-Option verzichtet. Man habe sich die "für ein Linsengericht abkaufen lassen", befindet Adamietz und bezweifelt, dass sich dieser Verzicht "mit dem Amtseid eines Bürgermeisters verträgt".
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