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Vulkan-Untersuchung wider Willen

■ Untersuchungsausschuß einstimmig beschlossen – obwohl die Große Koalition dagegen ist

Immer wieder schüttelte Andreas Lojewski (AfB) gestern während der Sondersitzung der Bürgerschaft den Kopf. Als CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer seine Rede beendet hatte, trat Lojewski schließlich ans Mikrophon. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, schimpfte der Abgeordnete. „Sie tun ja gerade so, als würden Sie gezwungen, dem Untersuchungsausschuß zuzustimmen“, rief er den Koalitionären von SPD und CDU zu. „Die Frage ist, was haben wir falsch gemacht. Und das muß auf den Tisch“.

Das sahen auch die 87 anwesenden Bürgerschaftsabgeordneten so: Um fünf Minuten vor zwölf – gut zwei Stunden nach Beginn der Debatte – hoben sie für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Vulkan-Konkurses allesamt ihre Hände. Die Redner der Großen Koalition hatten zuvor allerdings keine Gelegenheit ausgelassen, um ihrem Unmut über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses Luft zu machen (siehe auch Seite 6).

Etwa eine Stunde später trat das elfköpfige Gremium schließlich zusammen und formulierte den ersten Beweisbeschluß: Zwei Seiten umfaßt der Brief des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Hermann Kuhn (Grüne), an Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Kuhn fordert Scherf darin auf, „alle einschlägigen Unterlagen aus den Senatsbereichen einschließlich aller Dienststellen des Landes, den Stadtgemeinden sowie den staatlichen und kommunalen Eigen- und Mehrheitsbeteiligungs-Gesellschaften“ herauszugeben – ausgenommen sind die Akten der Staatsanwaltschaft.

„Die Firmengeschichte des Vulkans unter besonderer Berücksichtigung der Beiteiligungs- und Besitzverhältnisse“ soll auf diese Weise ebenso beleuchtet werden, wie die Frage, wieviel Geld durch Beteiligungen, Bürgschaften, Garantien, Darlehen, Übernahmen, Ankäufe, Verkäufe usw. letztendlich aus der Kasse der Freien Hansestadt Bremen und ihrer Gesellschaften in den Vulkan-Konzern geflossen ist.

Außerdem will der Untersuchungsausschuß wissen, welche Verpflichtungsermächtigungen der Senat eingegangen ist, um die Risiken dieses finanziellen Engagements abzudecken. Ferner hat Kuhn ein Verzeichnis des Personals der Führungs- und Kontrollgremien der Gesellschaften des Vulkan-Konzerns einschließlich der Beiräte der Schiffsbeteiligungsgesellschaften angefordert. Er rechnet noch vor der Sommerpause, die am 25. Juni beginnt, mit weiteren Sitzungen des Untersuchungsausschusses. Der Abschlußbericht soll in etwa zwei Jahren vorgelegt werden. Die Kosten wurden auf der Sondersitzung auf rund drei Millionen Mark beziffert.

„Der Untersuchungsausschuß wird uns jede Menge Geld kosten“, führte Neumeyer während der Debatte als Argument gegen den Untersuchungsausschuß an. Die Beamten, die dringend für den Neuanfang gebraucht würden, wären vorerst mit dem Untersuchungsausschuß beschäftigt. Zu welchem Ergebnis der Untersuchungsausschuß auch kommen würde – personelle Konsequenzen könnten ohnehin nicht gezogen werden, da keiner der beteiligten Politiker heute noch im Senat säße.

„Es geht nicht darum, Sündenböcke auszumachen“, entgegnete Ex-Umweltsenator Ralf Fücks. „Wir sind es den betroffenen KollegInnen, den Bürgern dieser Stadt und nicht zuletzt uns selbst schuldig, dieses Debakel aufzuarbeiten und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen“, sagte Fücks und machte selber den Anfang: Auch er sei für weichenstellende Vulkan-Entscheidungen verantwortlich.Den Verkauf des Vulkan-Aktienpaketes der landeseigenen Gesellschaft Hanseatische Industrie-Beteiligungen (HIBEG) 1993/94 habe er beispielsweise befürwortet – den Blanko-Scheck an Hennemann über 200 Millionen Mark für ein Unterweser-Konzept verhindert. Über alle Entscheidungen könne diskutiert werden, so Fücks. kes

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