Vorwürfe gegen Dalai Lama

■ Tibets Sympathieträger, der 14. Dalai Lama, soll seinerseits religiöse Strömungen unterdrücken. Die chinesische Regierung nutzt den religiösen Konflikt zur Spaltung der Tibeter

Berlin (taz) – Das harmonische Bild Tibets, verkörpert durch den Dalai Lama und unterdrückt allein durch die chinesische Besatzung, bekommt Risse. Dem Dalai Lama, weltweit Symbol für den Kampf um Religionsfreiheit, wird jetzt vorgeworfen, selbst religiöse Strömungen zu unterdrücken. Wie das NDR-Magazin „Panorama“ heute berichtet, hat der Dalai Lama bereits im März vergangenen Jahres anhand eines Orakels, mit dem er alle seine Entscheidungen begründet, beschlossen, daß alle Tibeter der jahrhunderte alten tibetischen Gottheit „Dorje Shugden“ abschwören müssen. Diese Gottheit schade dem Anliegen Tibets und dürfe deshalb nicht mehr angebetet werden. Hunderttausende Anhänger des tibetischen Buddhismus – in Tibet, der Mongolei und den internationalen Exilgemeinden – unterliegen durch das Dekret dem religiösen Bann.

Die Folgen sind indes nicht rein geistlicher Natur. Per Änderung der tibetischen Exilverfassung droht inzwischen Anhängern des Dorje Shugden die Entlassung aus dem Exil-Staatsdienst. Richtern wird verboten, dem Dorje Shugden anzuhängen. Krankenhäuser verpflichten ihre Angestellten abzuschwören, Verweigerer des Eides werden an die Exilregierung gemeldet.

„Ich bin wegen der religiösen Unterdrückung durch die chinesische Regierung aus Tibet geflüchtet“, protestiert Gonsa Rimpoche, Leiter eines tibetischen Klosters am Genfer See, „jetzt ist unsere religiöse Freiheit von seiner Heiligkeit bedroht.“ Das Schweizer Kloster ist die größte tibetische Exilgemeinde außerhalb Indiens. Sie huldigt dem jetzt verbannten Gott.

Der Dalai Lama ist offenbar in seinem gewaltfreien Kampf gegen die chinesische Unterdrückung Tibets in den Zwiespalt geraten: zwischen dem Freiheitskampf nach außen und autokratischer Herrschaft nach innen. So hat der Dalai Lama nach NDR-Recherchen zum Beispiel eine der bedeutendsten Entscheidungen ohne das Parlament getroffen: daß Tibet nur mehr einen autonomen Status innerhalb Chinas anstrebe, nicht die staatliche Unabhängigkeit. Gegner dieser Politik werden als Verräter gebrandmarkt. Der NDR betont dabei, daß seine Recherchen Chinas Unterdrückung keinesfalls rechtfertigten. Vielmehr gehe es darum, die zwiespältige Rolle des Dalai Lama zu sehen. Die selbstherrlichen Entscheidungen des Dalai Lama bringen laut „Panorama“ die Freiheitsbewegung Tibets in Gefahr. So nutze Peking den Konflikt, um die Tibeter zu spalten. Als jüngst Anhänger des Dalai Lama ein Kloster, das dem gebannten Gott huldigt, schließen wollten, wurden sie von chinesischen Soldaten empfangen. Peking konnte sich als Verteidiger der Religionsfreiheit aufspielen.

In einer Stellungnahme zu den Vorwürfen wirft Tibets Exilregierung Anhängern von Dorje Shogden „Sektierertum“ vor. Sie hätten sich zu einem fanatischen Kult entwickelt, der auch vor Gewalt nicht zurückschrecke. Sie würden von der chinesischen Regierung finanziert und den Dalai Lama verunglimpfen. Barbara Junge, han