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Vorurteile in Sachen Kindererziehung –betr.: „Etwas Struktur im großen Chaos“ (Probleme in Weddinger Kindertagesstätte), taz vom 22.12.98

Über die Vorurteile, die Frau Naumann offensichtlich in Sachen Kindererziehung hat, bin ich schockiert! Ihre Annahme, daß Kinder alleinerziehender deutscher Mütter „häufig noch im größeren Maße eine psychosoziale Betreuung brauchen“ als Kinder aus (türkischen) Zweielternfamilien, ist unhaltbar. Daß ein Kind mit beiden Elternteilen ständig zusammenlebt, ist noch keine Garantie für eine heile Welt, und daß ein Elternteil nicht mit dem Kind zusammenlebt, bedeutet nicht, daß dieses Kind ein psychosoziales Defizit erleidet – im Gegenteil, viele alleinerziehende Mütter erfüllen ihre Aufgabe mit Verantwortung und Fantasie.

Auch die Annahme, daß Söhne von libanesischen „Machos“ automatisch zu Schlägern werden, die „am liebsten breitbeinig durchs Zimmer marschieren“, empört mich. Jetzt gibt es die Intertaz wieder regelmäßig, dafür lassen Reporterinnen dem Rassismus auf der Berlinseite freien Lauf??? Und noch eine Kritik: Wenn Erzieherinnen tatsächlich nicht wissen, welche Muttersprache die Kinder sprechen, liegt das sicher nicht daran, daß „in binationalen Ehen das Sprachchaos am größten ist“. Binationale Paare haben in der Regel zwei Nationalitäten, sprechen also im Normalfall zwei Sprachen. Die meisten zweisprachig erzogenen Kinder – und ihre Eltern – empfinden dies als eine Bereicherung. Nicht die Mehrsprachigkeit ist das Handicap, sondern die Betreuungseinrichtungen, die auf dieses Abweichen von der überholten deutschen Norm nicht eingerichtet sind. Ruth Weissmüller, Saarbrücken

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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