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Vorurteile gegen SuchtkrankeDu willst ja nicht!

Anämie, Polyarthritis oder Hepatitis C sind saubere, ehrliche Krankheiten. Aber Süchte? Wer nicht davon betroffen ist, hält sie leicht für Willensschwäche.

Alkoholismus - eine Krankheit der Unterschicht? Von wegen. Bild: dpa

Jeder Mensch ist latent süchtig, genauso wie jeder Mensch Anlagen zu kriminellen Handlungen hat, zur Schizophrenie, zur Manie oder zum Sadismus. Die Frage ist nur, ob, wie und wann dieser Mister Hyde in uns geweckt wird. Wenn das Gehirn einen Menschen zum Töten treibt, zur Bewusstseinsspaltung oder zur Lust am Quälen anderer Menschen, liegt meistens eine Funktionsstörung vor. Sie setzt unsere natürlichen und anerzogenen Hemmungen außer Kraft, diese Anlagen auszuleben.

Bei Süchten ist das anders. Die meisten schleichen sich ein ins Denken und Handeln. Und weil sie in den Anfängen nicht schädlich für andere sind oder strafbar, gibt es auch keine Hemmungen, ihnen nachzugehen. Erst wenn sie uns beherrschen, versuchen wir, uns gegen sie aufzulehnen. Aber dann ist es zu spät.

Alle Süchte haben eins gemeinsam. Sie sind Flucht aus der Realität. Der Zehnjährige, der in Bukarest am Bahnhof Lackverdünner schnüffelt, der Chefarzt, der sich nachts mit zwei Flaschen Wein flachlegt, der Zocker, der im Casino wieder und wieder auf die weiße Kugel starrt, die Ehefrau, die den achtzigsten Schal und das fünfzigste Paar Schuhe kauft - sie alle wollen weg, raus aus ihrem Elend, ihrem Stress, ihrem Frust oder ihrem eintönigen Dasein.

Wenn etwa 4 Millionen Bundesbürger den unterschiedlichsten Süchten nachgehen (die meisten sind Alkoholiker), liegt das nicht an einer genetischen Disposition. Die ist, krankhafte Veränderungen des Gehirns ausgenommen, bei allen Menschen gleich. "Jeder kennt sie, die Sehnsucht nach dem Rausch", weiß Professor Götz Mundle, der Leiter der Oberbergkliniken, die sich auf Suchtkrankheiten spezialisiert haben. Auch Erziehung und Bildung sind nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist allein die Lebenssituation, in der wir uns befinden. Ist sie geprägt von Ängsten, Überforderung oder Hoffnungslosigkeit, erinnern wir uns an Momente, in denen die Realität und somit alle Probleme zurückgedrängt wurden: beim Feiern mit Alkohol, beim Sex, beim Computerspielen, am Roulettetisch oder Daddelautomaten, im Hoch- oder Dämmerzustand mit Tabletten, beim Kaufen von schönen Dingen oder beim Schlingen einer Tafel Schokolade.

Demzufolge sind alle Fluchtwege aus der Wirklichkeit zugleich Wege in eine Sucht. Selbst Religionen können süchtig machen. Welche Sucht wir wählen, hängt wiederum von unserer Lebenssituation und der Art der Belastungen ab. Gegen Ängste, Stress und Hoffnungslosigkeit wirken am besten Alkohol und Tabletten. Gegen Selbstzweifel hilft Sex. Bei Eintönigkeit sind Computer, Kaufen und Essen die Mittel der Wahl. Harte Drogen wie Heroin, Kokain und Designerdrogen nehmen hier eine Sonderstellung ein. Sie schleichen sich nicht ein, sondern machen süchtig ohne psychischen Anlass. Der User hängt bereits nach dem zweiten oder dritten Kick am Fliegenfänger. Die Motive aber werden identisch: Flucht aus der Realität, hinein in ein anderes Selbst, für das die aktuellen Probleme nicht existieren. Das gilt bedingt auch für masochistische Süchte wie Anorexie, Bulimie oder Ritzen.

Weil die Deutschen ohne krankhafte Sucht sich nicht bewusst sind, dass sie jederzeit umkippen können, halten sie sich für stark und gefestigt, dicht an der Unfehlbarkeit. Zugleich entwickeln sie Ressentiments gegenüber den Schwächlingen, die ihren Suff oder ihre Tablettenfresserei nicht abstellen können.

Das am meisten verbreitete Vorurteil ist zugleich der gern genommene Vorwurf: "Wenn du wirklich willst, kannst du aufhören. Aber du willst ja nicht!" Jeder Suchtkranke hat sich schon hundert Mal gewünscht, wieder frei zu sein von den Fesseln, die ihm seine Abhängigkeit anlegt. Genauso oft hat er sich geschworen: "Morgen höre ich auf mit der elenden Scheiße." Aber ihm fehlt die Kraft. Als sich die Sucht bei ihm einschlich, hätte er sie noch gehabt. Doch er erkannte nicht die Gefahr, in der er sich befand - wollte sie nicht erkennen. ("Ich ein Alkoholiker? Nie und nimmer!") Irgendwann kam es zum Kontrollverlust. Das ist der Moment, in dem die Sucht endgültig Macht über ihn gewinnt. Er muss trinken, spielen, kaufen oder essen. Sein Wille flackert zwar hin und wieder auf, ist aber so stark wie eine Kerzenflamme bei Windstärke zehn. Erst wenn er körperlich und psychisch am Ende ist oder wenn er keine Möglichkeiten mehr hat, seine Sucht zu befriedigen, kommt es zur Einsicht und zum Überlebenswillen. Schließlich hat er nur drei Möglichkeiten: in die Gosse, in die Klapse oder in den Sarg. Zwar gibt es Menschen, die vor dem finalen Absturz zurück in die Normalität finden. Aber das sind die wenigsten.

Das zweite Vorurteil: Wenn der Suchtkranke schon keinen eigenen Willen hat, braucht er Druck von außen. Also Bitten, Ermahnungen, Beschimpfungen und schließlich Drohungen: "Morgen bin ich weg, wenn du nicht aufhörst. Das schwöre ich dir." Noch nutzloser sind Verfolgungen mit Szenen in der Kneipe oder in der Spielhalle. Am dümmsten aber ist es, dem Suchtkranken seinen Stoff zu entziehen, also den Alkohol wegzuschütten, ihm das Geld wegzunehmen (solange es sein eigenes ist), den Kühlschrank leer zu räumen oder den PC verschwinden zu lassen. Die Betroffenen entwickeln nicht nur Hass, sondern auch eine unglaubliche Energie, neue Wege der Suchtbefriedigung zu finden. Notfalls über kriminelle Handlungen.

Das dritte Vorurteil: Suchtkranke müssen einen harten Entzug durchmachen. Erst dann sind sie bereit, ihr "Laster" aufzugeben. Jeder Mediziner für Suchterkrankungen weiß, wie nutzlos ein harter Entzug ohne medikamentöse Unterstützung ist. Zwar erzeugen "kalte" Entgiftungen von Alkohol, Tabletten und Drogen einen hohen Leidensdruck. Doch gerade er ist häufig Ursache für den Rückfall. Der Betroffene will nur eins: den Horror vergessen, den er gerade durchgemacht hat. Außerdem sind kalte Entzüge bei stoffbedingten Süchten brandgefährlich. Wer unter einer verhaltensbedingten Sucht leidet (Spielen, Kaufen, Sex, Computern, Fressen, Hungern usw.), hat während des Entzugs zwar weniger körperliche Qualen. Die psychische Belastung ist aber mindestens genauso groß und muss in den Anfängen ebenfalls mit Medikamenten behandelt werden.

Das vierte Vorurteil: Der Weg aus der Sucht führt nur über eine Selbsthilfegruppe. Für viele Kranke ist das zutreffend. Besonders dann, wenn sie ihr soziales Umfeld verloren haben. Die Gruppe wird zur großen Familie, die ihnen zuhört und die ihnen Verständnis entgegenbringt. Schon das Gefühl "Denen geht es wie mir" ist Trost und Hilfe. Problem: Viele Gruppen werden zu Mini-Sekten mit der alleinigen Heilslehre, nicht mehr zu trinken, zu kiffen oder zu spielen. Die Abhängigkeit von Stoffen oder Handlungen wird ersetzt durch die Abhängigkeit vom fortwährenden Credo, nicht mehr abhängig zu sein. Auf viele Kranke wirkt das abstoßend. Sie gehen eigene Wege, indem sie - mit oder ohne therapeutischen Beistand - neue Lebensziele suchen und finden. Und sei es nur als Putzhilfe in einem Altenheim.

Das fünfte Vorurteil: Süchte, und hier vor allem der Alkoholismus, sind Krankheiten der Unterschicht. Tatsächlich ist der Anteil der Suchtkranken bei Ärzten, Professoren, Anwälten, Piloten, Managern oder Politikern genauso hoch wie bei Hartz-IV-Empfängern. Es handelt sich fast immer um Berufsgruppen, die extrem abhängig sind vom Erfolg und dem Verhalten anderer Menschen. Ihre Suchterkrankungen sind nur weniger auffällig, weil sie nicht in Absturzkneipen und auf der Straße ausgelebt werden, sondern in besseren Bars, Kantinen, Casinos, Etablissements oder im gepflegten Zuhause. Außerdem gibt es 7,4 Millionen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland, aber nur 310.000 Ärzte und Ärztinnen oder 150.000 Anwälte. Rein statistisch ist die Zahl der Süchtigen in fast allen Berufs- und Bevölkerungsgruppen gleich. Nur haben sie in der sogenannten Oberschicht ein besseres soziales Umfeld, sind nach außen hin geschützt und bekommen schnellere und bessere ärztliche Hilfe.

Das sechste Vorurteil: Die Ursachen für Suchterkrankungen liegen in der Kindheit. Das ist nichts als ein frommer Wunsch der deutschen Therapeuten, die zu 90 Prozent von Suchterkrankungen überfordert sind. Der Kranke lebt im Jetzt. Er trinkt, spielt oder kauft im Jetzt. Und nur im Jetzt kann er damit aufhören. Viele Menschen werden erst zwischen vierzig und fünfzig nach dramatischen Lebenskrisen krankhaft abhängig (Tod eines Angehörigen, Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes, Mobbing, finanzieller Ruin o. Ä.). Nach der Theorie vom Kindheitstrauma müssten sie nach der Milchflasche und der Coladose direkt zur Schnapsflasche greifen.

Bleibt die Frage der Fragen: Wie kommt der Suchtkranke raus aus dem Teufelskreis, wenn Restriktionen, brutale Entzüge, Gruppen, Therapeuten und auch Langzeittherapien entweder gar nicht oder nur vorübergehend helfen? Bei Alkohol und Drogen zum Beispiel bleiben nur 10 bis 15 Prozent trocken bis zu einem normalen Lebensende. Einen Königsweg gibt es nicht. Aber eine Richtung. Und die lautet nicht Kapitulation, wie sie von anonymen Selbsthilfegruppen gepredigt wird. Sondern Veränderung.

Der Suchtkranke, der seine Krankheit immer mit sich herumträgt, muss sich ein Ziel setzen. Das darf nicht sein, nicht mehr zu trinken, nicht mehr zu spielen oder nicht mehr dem Sex nachzurennen. Sondern wieder zu leben. So, wie er früher alles der Sucht untergeordnet hat, muss er für dieses Ziel arbeiten. Schritt für Schritt. Er muss seine süchtige Umgebung verändern. Am besten, indem er sie verlässt.

Hat er dazu keine Möglichkeit, beginnt er in seinen vier Wänden, indem er sie aufräumt und umgestaltet. Er muss sich von seinem süchtigen Umfeld trennen, also von "Freunden", die mit ihm die Sucht gelebt haben. Er sollte, wenn es notwendig ist, den Arbeitsplatz wechseln, notfalls auch den Beruf. Es kann sogar sein, dass er seinen Partner verlassen muss, zumindest vorübergehend. Die Verletzungen, die sie sich gegenseitig zugefügt haben, sitzen tief. Doch das Entscheidende: Er braucht eine Aufgabe, die ihm Befriedigung verschafft. Auch hier kann er in den eigenen vier Wänden anfangen, indem er sie zum Beispiel gründlich renoviert. Er kann alten Interessen und Hobbys nachgehen, die von der Sucht brachgelegt wurden. Er kann sich bei sozialen Einrichtungen melden und sagen: "Braucht ihr jemanden, der euch hilft?"

Doch das Wichtigste: Wenn er weiß, dass er stabil ist, kann er sich denen zuwenden, die er wieder und wieder enttäuscht hat und von denen er darum verlassen wurde. Sie werden ihn nicht zurückweisen.

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15 Kommentare

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  • E
    Elbenweib

    Wieder einmal jemand, der den ultimativen Königsweg in der Suchtentwöhnung gefunden hat ;-)

     

    Warum nur gibt es dann überhaupt noch süchtige Menschen? Schließlich genügt es doch, den Willen (den der Autor interessanterweise am Anfang des Artikels freigesprochen und am Ende doch wieder in die Verantwortung genommen hat) auf ein neues Ziel außerhalb der Sucht zu richten, und schon gelingt das, was vielleicht jahrzehntelang misslungen ist.

     

    Ich will absolut nicht bestreiten, dass es vielleicht bei manchen Leuten auch auf diese Weise funktioniert. Aber einen bestimmten Weg als allein seligmachend darzustellen und im gleichen Atemzug viele funktionierende und bewährte Modelle wie zum Beispiel das Konzept der 12-Schritte-Selbsthilfegruppen (Anonyme Alkoholiker und Ableger) als unwirksam und sektiererisch abzutun - das disqualifiziert diesen Artikel.

     

    Das Problem, das dabei außerdem nicht gesehen wird, ist die enorme Zahl der Menschen, die an einer schweren Abhängigkeitserkrankung leiden trotzdem "funktionieren", die trotzdem teilweise ihren Traumberufen nachgehen, ein glückliches Familienleben haben, Hobbys und soziales Leben pflegen. Diese Menschen haben Ziele außerhalb ihrer Sucht, und es stößt sie zu Recht vor den Kopf, wenn man ihnen vorschlägt, zur Entwöhnung mal eben die Wohnung zu renovieren oder dem Krankenhausbesuchsdienst beizutreten.

     

    Wir sollten endlich akzeptieren, dass Sucht ein vielschichtiges Phänomen ist, das weder auf eine Ursache zurückgeführt werden kann noch auf eine einzige Weise "geheilt" werden kann.

  • CH
    Clas Hillebrand

    Liebe TAZ,

     

    wir können nicht beurteilen, auf welchen Quellen Sie Ihre Argumente begründen.

     

    Ihr Bericht ist in Teilen tendenziell und belegt die Erfahrungen der EHRENAMTLICHEN -Selbsthilfe-Organisationen, daß die Pharmalobby in den letzten Jahren massiv in dieser volkswirtschaftlich extrem nutzbringenden und KOSENGÜNSTIGEN und UNERLÄSSLICHEN gesellschaftlichen Stütze der Suchthilfe eindringt um Pharmaumsatz zu generieren.

     

     

     

    Bisher seit langen Jahren, von engagierten Bürgern in deren Freizeit unentgeldlich durchgeführte Vorstellung der seriösen Suchtkranken-Selbsthilfe in Entzugsstationen wurde durch Klinikleitungen zugunsten von Pharmasubstitution zurückgedrängt.

     

     

     

    Der Süchtige ist ohne medikamentöse Unterstützung süchtig geworden und in den meisten Fällen (Sicherlich, es gibt Indikationen, welche einen vorübergehend medikamentös unterstützten Entzug bedingen!) kann Er/Sie

    sich auch ohne Pharmapräparate davon lösen.

     

    Sicherlich ist die längerfristige Substitution von Heroinabhängigen mit Ersatzpräparaten eine wichtige Stütze

     

    Viele Süchtige werden durch Medikamentierung zu Sucht"verlagerern" und "hängen dann an der Pille, anstatt der "Pulle".

     

    Suchtentwöhnung ist kein Zuckerschlecken, wie das unseren Kids in den Medien (Robbie Williams, Britney Spears u.a.) suggeriert wird. Die verchwinden mal eben von der Bildfläche, haben genug Geld für gute Ärzte und Therapieeinrichtungen und kommen dann als wäre nichts gewesen wie Phoenix aus der Asche zurück auf die Bühne.

     

    So ist Abstinenzwerdung nicht.

     

    Das Beinahe-Verrecken bzw. psychische Verfall und mühsame Wiederaufstieg aus der "individuellen

    Gosse", das wird nicht aufgezeigt, ist mediale Tabuzone.

     

     

    Sucht-Genesung ist harte harte Arbeit, bringt Depressionen u.a. schwere Symptomatik mit sich.

    Dies ohne Medikament zu erleben stärkt die Erinnerung an den "Entzug" und ist Mahnung zugleich.

     

    Erst die "Kapitulation" und der Wille sich zu ändern bieten die Chance der Heilung.

     

    Manch einer mag das ohne Selbsthilfe schaffen. Die Erfahrung lehrt, daß die Rückfallquote bei langjähriger "Sozialhygiene" durch offene, gruppendynamische Arbeit geringer wird.

     

    Manch Einer geht wöchentlich zum Skat oder ins Stadion, trockene Süchtige haben die Möglichkeit

    zum zwanglosen Gruppenbesuch bei Freunden und Weggefährten, das hat nichts mit "Gruppenjunkie" zu tun.

     

    Die jahrzehntelang BEWÄHRTE Suchtkrankenhilfe auf dem von Ihnen dargebotenen Niveau zu diskreditieren zeugt von Unkenntnis . Sicherlich gibt es, wie Sie schreiben unredliche Organisationen (Scientology u.a.) welche die mentale Notlage von Betroffenen auszunutzen versuchen.

     

    Aber die über die Gesundheitsämter der Städte empfohlenen Organisationen sind integer und

    durch Ihre Erfahrungswerte patenter als manch ein studierter Psychologe, zumindest aber eine unerlässliche Stütze bei der Gesundung und LANGFRISTIGEN Stabilisierung und Rückfallprophylaxe.

     

    Last but not least, wo bleibt Ihr Hinweis auf die von bundesdeutscher Politik tabaksüchtig

    gemachten Kinder.(Verhinderung von Tabakwerbeverbot/Parteien- und Medienfinanzierung

    der Nikotinbarone)

     

     

    In dieser Kathegorie sind wir europaweit führend.

    Tabak (Suchtpotenz wie Heroin) ist die Einstiegsdroge NR.1!

     

    Es ist nicht überall freie, zumindest aber nicht gut informierte Presse drin, wo UNabhängige Presse drauf steht.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

  • A
    anke

    Offenbar fühlt sich auch der Verfasser des Artikels selbst nicht betroffen. Jedenfalls scheint auch er davon auszugehen, dass ein Fall von Willensschwäche vorliegt, wo sich ein Mensch durch eine Sucht ruiniert. Würde er sonst die Frage nach dem Ausstieg überhaupt stellen? Oder anders gefragt: Wenn Veränderung statt Kapitulation die Lösung ist - muss dann nicht auch jede Veränderung mit dem Willen dazu beginnen?

     

    Das Problem mit der Sucht ist, dass sich ein Wille leider nicht nach Belieben aktivieren lässt. Schon gar nicht von außen und erst recht nicht ohne Einsatz von Energie. Entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis schaden Suchtkranke keineswegs vor allem sich selbst. Diese Auffassung kann nur jemand vertreten, der nicht in anderen Dimensionen zu denken gelernt hat als in der des ICH. Wenn die sogenannte Gesellschaft auf Süchtige "allergisch" reagiert, dann deswegen, weil sie sich außerstande fühlt, das "Leid" abzustellen, das die Sucht eines ihrer (potentiellen) "Schäfchen" ihr beschert und das nicht unwesentlich darin besteht, dass sie nur sehr selten ein "Rezept" findet gegen dessen "Niedergang". Wer einer Sucht verfällt, der geht seiner Umgebung Stück für Stück verloren. Er taugt nicht mehr als "Produktionsfaktor", als "Notnagel", als "Kummerkasten" oder als "Accessoire". Für Süchtige nämlich hat die Sucht Priorität, nicht der (Mit-)Mensch, und das ist ein Zustand, den dieser Mitmensch nur sehr schwer aushalten und noch schwerer abstellen kann, so lange er sch nicht als Teil ds Problems begreift.

     

    Leider sind die meisten denkbaren Alternativen zur Sucht in irgend einer Weise mit der sogenannten Gesellschaft verbunden. Sich in einer umgestalteten Wohnung einzuigeln, ist keine Dauerlösung. Selbst als Briefmarkensammler ist man nur unter seinesgleichen glücklich. Ganz abgesehen davon, dass neue Möbel Geld kosten, das man erst einmal verdient haben muss. Die Unfähigkeit der vermeintlich nicht Betroffenen (by the way: woher kommen eigentlich all die Kriege, Krisen und Konflikte, die Menschen in die Sucht treiben?), dem Suchtkranken anders zu begegnen als mit Feindseligkeit, Aktionismus oder resignierender Duldung, ist nicht unbedingt hilfreich, wo aus einem schwach ausgeprägten Willen zum WIR ein tragfähiges Ziel werden soll. Kein Wunder, dass so viele Süchtige in Selbsthilfegruppen mit zweifelhafter Erfolgsgarantie und hohem Suchtpotential ihr Heil suchen.

     

    Schon möglich, dass es dem einen oder anderen Suchtkranken gelingt, sich aller gesellschaftlichen Einmischung, Ablehnung und Bevormundung zum Trotz am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Groß ist die Zahl derer, die es (nicht nur angeblich sondern tatsächlich) schaffen, völlig losgelöst von jeder menschlichen Umgebung stabil auf (mindestens) zwei eigenen Füßen zu stehen aber gewiss nicht. Veränderungen zum "Guten" nämlich haben (genau wie die zum "Schlechten") ihren Ursprung meistens in einem "Anlass". In fast jedem Fall müssen sich zunächst die Umstände ändern, bevor die Personen es tun.

     

    Der Wahn, jeder sei ein geborener "Macher", ein von allen Zu- und Umständen unabhängiger Gestalter des eigenen Schicksals also, ist weiter nichts als ein ntegraler Bestandteil der realkapitalistischen Siegerideologie. Mit der Realität hat er allenfalls im Ausnahmefall etwas zu tun. Die Besten sterben nicht jung. Schon gar nicht am Suff. Die Besten werden trocken – und zwar unter Einsatz geradezu übermenschlicher Willenskräfte. Schade eigentlich. Es gäbe so viele lohnendere Ziele für ihre Kraft.

  • M
    mihu

    hi zusammen,

     

    der artikel spiegelt meine eigenen erfahrungen, meine gedankliche einstellung zu (meinen) süchten und das besiegen meiner abhängigkeiten, die mich belastet haben, sehr gut wieder.

    ich bin seit dezember 1996 heroinfrei und seit märz 2008 alkoholfrei - ohne suchtdruck, therapie und shg. und mir geht es gut mit meinem weg.

    mein weg aus meiner besiegten alkoholsucht und meine gedanklichen ansätze sind im alkoholikerforum saufnix nachzulesen.

     

    sonnige grüße

    mihu ;-)

  • AJ
    Axel Junker

    Aus Sicht des selbst langjährig und unmittelbar Betroffenen (Heroin/Kokain) ein sehr lesenswerter Artikel. In der Tat ist Veränderung der Alltagsverhältnisse durch einen Stadt- und Szene-Wechsel ein probates Mittel, um abhängiges Verhalten zu durchbrechen. Eine Selbsthilfegruppe ist dazu nicht unbedingt vonnöten, aber eine Art

    Supervision und die Möglichkeit ohne Angst vor Konsequenzen über alle Begleitprobleme reden zu können, wirkt sich mitunter hilfreich aus.

    Als Junkie mit permanentem Drang das Schöne der Droge(n) genießen zu wollen, aber den negativen Begleiterscheinungen entfliehen zu müssen, um zu überleben, hat sich besonders folgendes Vergleichsbild stark eingeprägt:

    Der Spiegel, den allein die Spritze füllt, kann nur zerschlagen werden, wenn der leere Rahmen mit Puzzlestücken gefüllt wird, die das eigene Selbstwertgefühl stärken.

    (In meinem Fall kreative Impulse wie Bildhauern, Schreiben, Musik machen und Aktivismus für Cannabis als Medizin.)

    Auch kontrollierte Substitution oder Verlagerung auf weniger gravierend sich auswirkende Abhängigkeitsverhaltensweisen sind gute Hilfsmittel zum besseren Umgang mit schweren Süchten.

    Total-Abstinenz-Einforderungen sind allerdings angesichts der gesellschaftlichen Abhängigkeitserkrankungs-Durchseuchungsraten utopisch.

  • MA
    Martin Ahnator

    Sehr geehrter Herr Siemes,

    liebe TAZ-Redaktion,

     

    bitte gestatten Sie uns den Hinweis, daß es nicht die Alkoholiker sind, welche die größte Gruppe der stofflich "Süchtigen" darstellen.

     

    Die weitaus größere Anzahl sind Nikotiniker, welche auch die größte Gruppe unter den Ablebenden

    darstellenden(130.000)und deren 3.300

    Co-Laterale (Passsivtote).

     

    Nicht zu vergessen, die nach (illegaler) Parteienfinanzierung lächzenden Bundesparteien,

    welche hörig den menschenverachtenden Strategien der Nikotinbarone folgen.

     

    Wenn denn Journalismus so weit ist, abseits der Kathegorie "legaler" und staatlich definierten "illegaler" Drogen Bericht zu erstatten, dann hat der Begriff "investigativ"

    seine Berechtigung dargelegt.

     

    In Zeiten in welchen unsere Kinder besoffen und bewusstlos auf der Intensivstation landen, sind neben dem aktuell am Kreuze darbenden J.Klinsmann

    auch geschwind noch Kreuze für den "Kaiser" und andere Sportprotagonisten zu errichten, welche mit Ihrer Umsatzgenerierung durch Alkoholwerbung

    dazu beitragen die bundesdeutsche Suchtkultur und deren Auswüchse zu befördern.

     

    Trotzdem vielen Dank für diese ansonsten gute

    redaktionelle Ausführung

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    ein Freund des naturbelassenen Atemstroms,

     

    Martin Ahnator/Meerbusch

    für

    TAV, Initiative für Tabak-Abgas-Vermeidung

    brd-day.de

  • A
    anonym

    Lieber Herr Siemens,

    beim lesen Ihres Essays laufen mir kalte Schauer über den Rücken. Woher nehmen Sie die Kompetenz so subjektiv über dieses Thema zu schreiben. "Am dümmsten aber ist es, dem Suchtkranken seinen Stoff zu entziehen, also den Alkohol wegzuschütten, ihm das Geld wegzunehmen (solange es sein eigenes ist), den Kühlschrank leer zu räumen oder den PC verschwinden zu lassen." Sie wissen es aber ganz genau!

    Mein Bruder ist seit dem 13. Lebensjahr süchtig (Drogen, Alkohol). Wenn ich ihn mal wieder sehe, er wurde dieses Jahr 40, dann werde ich ihm mal vorschlagen, dass er sich ab jetzt ein Ziel setzen müsse. Am besten sollte er mit dem Umgestalten seiner nicht vorhandenen Wohnung anfangen. Dann werde ich ihm noch vorschlagen,es doch mal mit weniger Drogen und Alkohol zu versuchen, weil ganz aufhören ist ja unmöglich zu erreichen. Danach soll er mal zusehen, ob er neue Freunde gewinnen kann, ach ja zum Schluß gebe ich ihm noch die Empfehlung Selbsthilfegruppen weiträumig zu umgehen. Ich bin mir sicher, mit diesen Ratschlägen wird alles wieder gut.

    Ihr Artikel zu diesem Thema ist leider so banal, dass es mich innerlich zutiefst schmerzt.

  • NS
    Noch So Ein Vogel

    sorry, kann vieles in dem Artikel nicht nachvollziehen (habe selbst erfolgreich einen "kalten Entzug" hinter mir), nachdem mehrere Versuche, damit "umzugehen" (sprich: "weniger", "kontrollierter", "bewußter" usw.) scheiterten. allerdings hat er Recht damit, daß man den Lebensinhalt nicht von bspw. "trinken" zu "nicht mehr trinken" verändern kann, da man dann meines Erachtens nach nahezu 100%tig rückfällig wird.

  • SW
    Sabine Wagner

    Lieber Herr Siemes, am Ende gelangen Sie in Ihrem Artikel genau dahin, wo Sie zu Beginn nur die ignoranten Nicht-Süchtigen verortet haben: Beim Willen. Wie soll denn ein Süchtiger ohne den ganz starken Willen, etwas zu verändern, aus seinem Umfeld ausbrechen?

    Man entscheidet sich für eine Sucht, genauso wie man sich dagegen entscheiden kann.

  • A
    anonym

    Ihr Artikel ist sehr lesenswert, hat aber einen Schönheitsfehler.... die Veränderung beginnt mit der Kapitulation und das ist keine Sektenlehre. Die AA haben mehr Leute aus dem Suff geholfen als alle Ärzte, Therapeuten und Kliniken zusammen. Natürlich gibt es Menschen, die zu Selbsthilfegruppenjunkies werden. Da hat eine wirkliche Veränderung nicht stattgefunden. Ob man das den AA anlasten kann, halte ich für fraglich.

  • E
    emil

    Ich glaube, man kann anhand dessen, was Herr Siemes hier auf den Tisch legt, sagen, dass Prohibitionismus, beispielsweise von Marihuana, relativ sinnlos ist. Zum einen birgt er hohe Kosten, hohen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, zum anderen schränkt er Bürgerrechte ein - die an manch gefährlicheren Stellen - Alkoholismus, Shopping, Bulimie, Glücksspielen - gewährt werden.

    Guter Artikel!

  • JT
    Janina Trhal

    Guter Artikel, der aber noch besser gewesen wäre, wenn auf den letzten Satz verzichtet worden wäre. Denn den Menschen, die sich von einem wie auch immer süchtigen Menschen aus Enttäuschung distanzieren, während er gegen seine Sucht kämpft, sollte er besser auch weiterhin aus dem Weg gehen. Leute, denen er sich nur zeigen darf, wenn er (wieder) stabil ist, sind sicher keine Freunde.

    Und zum Thema "Predigen" von Kapitulation in anonymen Selbsthilfegruppen: In diesem Artikel wird sehr deutlich, dass der Verfasser nicht weiß, wovon er schreibt und sich voreilig ein Urteil gebildet hat!

  • M
    michaelbolz

    @Herr Siemes: Es interessiert mich dringend, was Sie unter "natürlichen" Hemmungen des Menschen verstehen und woher Sie sich darauf beziehen - meinen Sie Angst vor dem Feuer Furcht vor Gewitter - natürliche Schutz- und Instinkthandlungen? Was diese Hemmungen im Kontext des Artikels sein sollen, kann ich mir kaum vorstellen.

    Für ihre Antwort nutzen Sie bitte meine Emailadresse.

  • S
    SINdy

    Jede Sucht ist Masochistisch. Nicht nur Esstörungen und Ritzen.

     

    Mit jeder Sucht,zerstört der Betroffene sein rationales Handeln und Denken.

    Es richtet sich alles nach dem Suchtpunkt aus.

    Es findest kein "normales" Leben statt.

    Jede Sucht zerstört den Menschen, manche halt körperlich, manche gesellschaftlich.

     

    Das manche Süchte vermehrt auftreten ist, aus meiner Sicht, auch kein Wunder.

    Alkohol wird genauso intensiv beworben, wie das rauchen, oder dünne Modells auf den Titelblättern der Modezeitschriften.

     

    Manche werden sogar noch gefördert, Frauen wird ja gerne nachgesagt, dass es normal wäre 1000Paar Schuhe zu besitzen, oder Schokoladensüchtig zu sein.

    Ein Klischee, von Männern erfunden. Und die Frauen denken, es ist total normal. Nur wird die Grenze zur Abhängigkeit gerne mal als Midlifecrises getarnt, oder als Frust.

  • G
    Groemel

    Ich glaube, man kann anhand dessen, was Herr Siemes hier auf den Tisch legt, sagen, dass Prohibitionismus, beispielsweise von Marihuana, relativ sinnlos ist. Zum einen birgt er hohe Kosten, hohen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, zum anderen schränkt er Bürgerrechte ein - die an manch gefährlicheren Stellen - Alkoholismus, Shopping, Bulimie, Glücksspielen - gewährt werden.

    Guter Artikel!