■ Vorübergehende Zusammenlegung der RAF-Gefangenen: Zuerst das Kommuniqué vorlegen?
Morgen wird sich der Innenauschuß des Bundestages erneut mit einem Bericht der Bundesregierung zum GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen beschäftigen müssen. Zwar läßt der Bericht weiterhin viele Fragen offen, doch wird immerhin klar, daß die Wunschversion Selbstmord kaum mehr aufrechtzuhalten ist. Während die Bundesregierung jedoch hartnäckig politische Konsequenzen verweigert – weder wird über Sinn oder Unsinn der BGS-Elitetruppe diskutiert, noch scheint man in Bonn darüber nachzudenken, eine modifizierte Kinkel-Initiative zu starten –, haben RAF-Gefangene das politische Vakuum zu einem Vorstoß genutzt. Für mindestens ein oder zwei Wochen, so berichteten Familienangehörige, wollen 18 Gefangene zusammengelegt werden, um über ihre aktuelle Lage und Möglichkeiten zukünftiger politischer Intervention zu diskutieren.
Nachdem aktive RAF-Mitglieder im letzten Jahr bereits angekündigt hatten, keine Anschläge auf Personen mehr zu unternehmen, wenn der Staat die Initiative des damaligen Justizministers ernst nehme, würde es bei einem solchen Treffen natürlich auch darum gehen, diese Erklärung zu bestätigen, oder aber zu widerrufen. Deshalb wohl hat einer der RAF- Angehörigen erklärt, am Ende einer solchen Zusammenkunft könnte eine Erklärung stehen, daß für sie Gewalt nicht mehr vorstellbar sei – die Betonung liegt auf dem Konjunktiv. Nun hat der pfälzische Justizminister, dessen Verfassungsschutz jahrelang den V-Mann Klaus Steinmetz führte, dieses Ansinnen begrüßt und erklärt, ein Ende der Gewalt der RAF hinge eng mit einer Lösung der Gefangenenfrage zusammen. So erfreulich diese Erkenntnis auch ist, so merkwürdig aber klingt die Bedingung, die Caesar an eine vorübergehende Zusammenlegung knüpft. Er wolle eine solche Initiative unterstützen, „wenn sich daraus eine Absage an künftige Gewaltanwendung ergibt“. Verständlich, daß Politiker, die sich für die Zusammenlegung nun stark machen wollen, damit die Hoffnung auf eine entsprechende Erklärung der Gefangenen verbinden. Voraussetzung für die Zustimmung zu einem solchen Treffen kann dies aber nicht sein. Das Treffen von Leuten, die sich seit Jahren nicht mehr oder noch nie gesehen haben, ist doch kein G-7-Gipfel, bei dem das Kommuniqué vorher formuliert wird!
Seit Antje Vollmer und andere vor Jahren schon genau jenen Vorschlag unterbreiteten, den die RAF- Gefangenen jetzt aufgreifen, scheiterte ein solches Vorhaben auch an psychologischen Blockaden beiderseits. Die Verantwortlichen auf seiten des Staates sollten daraus endlich die Konsequenzen ziehen und nicht erneut überflüssige Barrieren aufbauen. Die Initiative aus dem Knast ist der erste sinnvolle politische Schritt seit dem Desaster von Bad Kleinen. Jürgen Gottschlich
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