piwik no script img

Archiv-Artikel

Vorsicht, tief fliegende Radfahrer

In Köpenick hat Berlins erste offizielle Downhillstrecke für Mountainbiker geöffnet. Auf den 600 Metern können abenteuerlich gepanzerte Radler nach Herzenslust ins Tal rasen und Stoßdämpfer ruinieren. So mancher fährt mit dem Krankenwagen heim

von ANDREAS RÜTTENAUER

Kalt war es am ersten Wochenende im neuen Jahr. Doch der Alkohol und die fleischdominierte Ernährung in den Tagen rund um den Jahreswechsel treiben eine Menge von Spaziergängern in die Erholungsgebiete Berlins. Auch auf den ansonsten ruhigen Waldwegen am Fuße der Müggelberge ist mehr los als an anderen Tagen. Und so mancher Spaziergänger weicht vom ausgewiesenen Weg ab, um seiner Sehnsucht nach Ruhe und Einsamkeit in den Wäldern des Berliner Stadtforstes Genüge zu tun.

Das kann allerdings gefährlich werden. Wer allzu leichtfertig vom Rundweg um den Teufelssee abbiegt, der muss damit rechnen, dass ihm Radfahrer um die Ohren fliegen. Ach was, Radfahrer. Downhill-Biker. Mit ihren gewaltigen Integralhelmen und ihrer schrillen Schutzkleidung sehen sie ein wenig wie außerirdische Krieger aus. Nicht selten kommt es zu Auseinandersetzungen. „Das ist doch verboten!“, brüllen dann die Spaziergänger. Da grinsen die gepanzerten Radfahrer und rufen – wenn noch Zeit ist – zurück: „Nein, das ist erlaubt.“ Sie haben Recht. Seit kurzem.

Jahrelang hatten sich die Berliner Forsten und die Downhillbiker einen erbitterten Kampf geliefert. Immer wieder baute die Behörde Barrieren an den von dem Bergabradlern bevorzugten Strecken. Es ging um die Verhinderung von Erosionen an den Hängen. Platzverweise wurden ausgesprochen und einmal sogar ein illegales Rennen mit Polizeigewalt beendet. Doch so leicht ließen sich die Downhiller nicht vertreiben. Kaum war eine Route abgesperrt, schon war eine neue geschaffen. Irgendwann hatte die Forstverwaltung genug vom Hase-und-Igel-Spiel und setzte sich mit dem Moutainbikern an einen Tisch. Die coolen Jungs haben ihre Integralhelme abgesetzt, sich ganz brav gegeben und einen Verein gegründet: downhillberlin e.V. Ein Kompromiss wurde ausgehandelt.

Entlang der ehemaligen Rodelbahn an den Müggelbergen dürfen Berlins Downhiller also nun jeden zweiten Samstag zeigen, was sie können. Die Berliner Forsten will damit erreichen, dass die Freaks nur noch zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort den Berg hinabrasen. Die Downhiller haben erreicht, dass sie nun endlich einen Ort haben, an dem Sie machen können, was sie wollen. Und sie haben nicht gerade wenig zustande gebracht. Die 600 Meter lange Strecke wurde mit Rinnen und Rampen so ausgestattet, dass sie richtig anspruchsvoll ist. Nur wenige sind überhaupt in der Lage, über die hohen Rampen zu fahren und die bis zu zehn Meter weiten Sprünge zu stehen. Nicht selten muss ein Krankenwagen anrücken, um einen Bruchpiloten abzutransportieren.

„Die Stürze sind immer dann gefährlich, wenn man in der Luft verkrampft“, meint Benni Messinger, einer der besten Jumper in der Berliner Szene. Er hat sich sogar schon bundesweit einen Namen gemacht, weil er einer der wenigen ist, die mit dem Mountainbike einen Überschlag springen können. Im nächsten Jahr will er zu diversen Events in der ganzen Republik reisen und so einen ersten Schritt in Richtung Profitum unternehmen. Als Dirt-Jumper. Einen Sponsor, der ihn mit Sicherheitsausstattung versorgt, hat er schon. Er erzählt, dass es das Wichtigste sei, sich langsam an die großen Sprünge und schnellen Passagen heranzutasten. Es ist also nicht nur Glück, dass der 19-Jährige bislang von größeren Verletzungen verschont geblieben ist.

Das eigentliche Problem ist ohnehin die Ausrüstung. Ein richtig stabiles Bike mit guter Federgabel und leistungsstarkem Dämpfer kostet gut und gerne 6.000 Euro. Auch die Eltern müssen also hinter dem Tun ihrer Kinder stehen. Als Benni einen Sprung demonstrieren will, gibt es einen lauten Knall. Der Dämpfer hat den Aufprall nicht überlebt. 800 Euro Schaden. „Ich hoffe, dass das ein Garantiefall ist“, meint Benni dazu nur. Er ist gar nicht mit dem eigenen Rad unterwegs, sondern mit dem seines Vaters. Der hat sich von seinem Sohn anstecken lassen und ist auch von Downhillfieber befallen. Bennis Rad steht derweil zu Hause. Kaputt. Der Rahmen hat nicht mehr mitgemacht bei den wilden Sprüngen. Pech gehabt. Aber wenn es als Garantiefall anerkannt wird, ist auch das nicht allzu schlimm.

Kosten entstehen auch durch mutwillige Beschädigungen der Rampen an der Strecke. Manchmal, so berichten die Biker, würden radikale Spaziergänger Hand anlegen und die Rampen zerstören. Während die Berliner Forsten also ihren Frieden mit den Bikern geschlossen haben, reagieren viele immer noch verstört auf die fliegenden Radler. Dabei tun die auch nichts anderes als der gewöhnliche Spaziergänger. Sie verbringen ihre Freizeit in der Natur.