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■ VorschlagSchwimmen sogar in Milch: Värttinä im Pfefferberg

Nein, Värttinä ist keine neue Margarinenmarke. Die finnische Sprache klingt eben lustig und ist doch voller Poesie. „Läksin kuuta etsimähän, päivyttä tavoittamahan, viel vuotti minun päiväni, ja huomenieni huokaeli“ zum Beispiel heißt: „Ausgezogen, den Mond zu suchen, das leuchtende Sonnenlicht einzufangen, liegt mein Ziel noch in ferner Zukunft, ich träumte von morgen.“

Solche Sachen singen Värttinä, die finnischen Folkpop-Erneuerer aus Rääkkylä, Karelien. Das verschneite Karelien liegt im Südosten Finnlands und erstreckt sich bis jenseits der russischen Grenze und vor die Tore Petersburgs. Die karelische Volksmusik ist eine der Quellen, aus denen Värttinä ihren seltsam betörenden Vokalmix speisen. Genauso bedienen sie sich aber auch bei anderen finno-ugurischen Singtraditionen, machen Anleihen bei überlieferten ingrianischen Tanzliedern, die sie von alten Schallplatten kennen, und lauschen sich ihr Repertoire bei den älteren Sängerinnen der Marik und Setu in Rußland ab. Trotzdem wäre es zu kurz gegriffen, sie deshalb als Folkloregruppe zu bezeichnen – was Värttinä machen, ist schlicht Pop. „Abba meets Les Voix Bulgares“ kündigen sie sich selbst an, und das ist gar nicht einmal so falsch, auch wenn man sich darunter schwerlich etwas vorstellen kann. Richtig ist, daß Värttinäs vierstimmige weibliche Vokalfront kinderliedleichte und doch ziemlich komplexe, eingängige und gleichzeitig merkwürdig schräge Melodien zu Gehör bringt, die recht flott mit Akkordeon, Gitarre, Baß, Geige und Percussions unterlegt werden: Das schwimmt sogar in Milch. Auch die Kantele, das finnische Nationalinstrument, kommt zu ihrem Recht, aber wenn es paßt, wird schon mal zur griechischen Bouzouki gegriffen.

Mit dieser Masche sind Värttinä weit über den Radius der nordischen Seen hinaus bekannt geworden, ihre Platten wurden schon mehrmals zum „besten Weltmusikalbum“ nominiert, und mit ihrer aktuellen Produktion „Kokko“ dürften sie, dank Major-Vertrieb, sogar aus dem doch recht engen Kreis der Weltmusik-Fangemeinde ausbrechen. Angesichts solcher Höhenflüge beginnen Insider gern zu mäkeln, und Branchenguru Ian Anderson erinnert im Fachblatt Folk Roots vorsorglich daran, daß es neben Värttinä im hohen Norden noch viel mehr zu entdecken gäbe. Was natürlich richtig ist, aber das spricht ja nicht dagegen, sich zunächst einmal den Namen Värttinä zu merken. Daniel Bax

Heute abend ab 22 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Berlin-Mitte

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