■ Vorschlag: Burhan Öcals Istanbul Oriental Ensemble in der Passionskirche
Mit dem Begriff „Zigeunermusik“ verbindet man fürchterliche Assoziationen, meist nicht nur folkloristische. Doch mit popularisierter Touristenvolksmusik hat das Istanbul Oriental Ensemble herzlich wenig am Hut: Mit subtilen Improvisationen und hoher Virtuosität demonstrieren sie die hohe Kunst der Taksim – so heißen die solistischen Abschnitte, die in der türkischen Kunstmusik eine wichtige Rolle spielen. Roma- Musiker übernahmen die Taksim-Improvisationen einst in ihre Musik, wie sie sich auch von anderen Musiktraditionen beeinflussen ließen.
Fast tausend Jahre schon spielen Roma-Musiker eine wichtige Rolle in der Musik der Region des Dreiländerecks zwischen den heutigen Staaten Bulgarien, Griechenland und der Türkei. Besonders Städte wie Edirne, Izmir und natürlich Istanbul waren dabei die kosmopolitischen Zentren in der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts. Die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse lassen sich bereits am Instrumentarium ablesen: Die Trommel Darbuka und die Langhalslaute Oud stammen aus dem arabischen Raum, Klarinette und Geige vom Balkan. Die Saitenzither Kanun entstammt der türkischen Kunstmusik.
Angeblich seiner religiösen Mutter verdankt der Percussionist Burhan Öcal seine Gesangsausbildung, die Begegnung mit türkischer Kammermusik und mit islamischen Hymnen. Sein Vater wiederum, Lehrer für Altosmanisch und Arabisch, soll ihn mit amerikanischem Jazz, aber auch mit der musikalischen Tradition der Roma bekanntgemacht haben. Weil der Vater über eine Erbschaft in den Besitz einer Reihe von Kaffeehäusern und Kinos kam, trat der Sohn dort schon als Sechsjähriger auf – heißt es jedenfalls. Öcal hat sich im Zusammenspiel mit verschiedenen Jazzgrößen wie Maria Joao, Steve Swallow und Joe Zawinul inzwischen einen internationalen Ruf erworben. Mit dem sechsköpfigen Istanbul Oriental Ensemble hat er sich nun jedoch vorgenommen, die uralte Tradition der Romamusik aus Istanbul und Thrakien wiederzubeleben.
Das Istanbul Oriental Ensemble verbindet diese fast vergessenen Melodien mit der musikalischen Gegenwart – das klingt mal klassisch, mal nach Klezmer, und dann wieder nach Jazz. Man hört, daß die Musiker in verschiedenen Stilen zu Hause sind: Sie beherrschen sowohl die türkisch-klassische Musik wie auch die Originaltechniken. Daniel Bax
Heute, 20 Uhr, in der Passionskirche am Marheinekeplatz 1,Kreuzberg
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