Sanssouci
: Vorschlag

■ Green On Red im Loft

Als ich Green On Red vor vielleicht acht Jahren das erste Mal sah, war ich baß erstaunt über den Mut zur Häßlichkeit, den Dan Stuart damals demonstrierte. Er trug einen Cowboyhut und ein ärmelloses weißes Unterhemd – vielleicht sogar Doppelripp –, das aussah, als hätte er die letzte Nacht darin verbracht. Man konnte die Flecken auf dem Ding förmlich riechen, wenn er seine überdimensionale Wampe gemütlich quer über die Bühne schob, seine Gitarre am Bauch rieb und sang... Die alten Geschichten vom Saufen halt, so kam es uns jedenfalls vor. Jemand, der so aussieht, kann nur übers Saufen singen.

Damals waren Green On Red so was wie die Überführung von Jack Kerouac in die Neuzeit, und da paßten sie eben auch nicht hin. Die Mythen, die sie besangen und die sie verkörperten, das „On The Road“-Sein als Lebensinhalt, die staubigen Weiten, die es zu durchpflügen galt, waren längst enttarnt. Aber in Europa ist man halt etwas weiter weg vom Geschehen, deshalb fiel das nicht besonders auf. Inzwischen ist eine nicht unerhebliche Wandlung eingetreten. Green On Red sind eigentlich nur noch Stuart und der Gitarrist Chuck Prophet, der Rest wird nach Bedarf versammelt. Stuart sieht gesund und jetzt immerhin vollschlank aus und liefert die Alterswerke in Serie ab.

„Scapegoats“ vom letzten Jahr war eine sehr stille Abrechnung mit den Klängen, die der amerikanische Wüstenrock in den Achtzigern produziert hatte. Während sich Giant Sand wahlweise in Pop oder Spinnereien verhaspeln, andere sich auflösen oder zu Altherrenrockern mutieren, beginnen Stuart und Prophet vor der Zeit in Würde zu altern. Vielleicht haben sie sich gesagt, daß man besser gleich mit dem Altwerden anfangen soll, bevor man später dazu gezwungen wird und dabei möglicherweise eine peinliche Figur abgibt.

Schon der Titel der neuen Platte „Too Much Fun“ läßt einen sprachlos zurück, ob das nun ironisch oder ernst oder gar nicht gemeint ist. Und auf der Platte findet sich dann so was wie Country & Western, aber man möchte eher Kuhrock dazu sagen. Vielleicht sodomistischer Kuhrock, denn so ganz ehrlich ist die plötzliche Begeisterung für das Genre nicht. Zwar sind die beiden immer noch die letzten lebenden Beatniks, sie träumen vom verlassenen Motel mitten in der Wüste, wo die Tankstelle ausgetrocknet ist und der Koyote vor Gram heult. Die Frauen sind abweisend und unerreichbar, das Leben hart und kaum zu ertragen. Kurz, es ist alles so, wie sich Männerherzen das so zusammenreimen. Aber natürlich sind sie durch die Reife des Alters nicht mehr so bitter, so wütend wie früher. Und immer bleibt ein Rest von Unsicherheit, wie man das einschätzen soll: Ist es nun eine große Verarsche oder ganz ernst gemeint? Heute kann man mit Green On Red aber trotzdem einen schönen Abend verbringen, bei dem das Schmalz gerade immer rechtzeitig vom schiefen Ton auf die rechte Bahn gebracht wird. Thomas Winkler

Heute um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg