■ Vorschlag: Les Reines Prochaines im SO 36
Nimmt man die Songs der fünf „Zukünftigen Königinnen“ als Maßstab aller Dinge, so reicht die Welt der postmodernen Frau von der verschmutzten Schürze bis zur hochgesteckten Frisur. Einiges spricht dafür, daß die musizierenden Basler Reginas, die sich vornehm französisch „Les Reines Prochaines“ nennen, den mageren Herrschaftsbereich des weiblichen Geschlechts damit so exakt abgesteckt haben, daß große Überraschungen für das nächste Jahrhundert nicht zu erwarten sind. Klar, das spielt sich vorwiegend in Moll ab, denn – außer über sich selbst gibt es nichts mehr zu lachen. In einer Dauerschleife delikaten Blödsinns werden die Finessen der Mager- und Männersüchte, der Kinder- und Körperambitionen so konsequent durchgehechelt, daß nichts von ihnen bleibt als die reine Wahrheit. Entsprechend werden nicht wirklich abgeräumte Tische, nicht wirklich sauber gewaschene Wäsche besungen, weil doch immer etwas Schmutziges übrig ist. Da tröstet der leichtlebige Paarreim auch nicht. Soviel gekonnt ungekonnt herausposaunte Wahrheit erträgt nur, wer nicht versucht, gegen den Strom zu schwimmen. Dabei machen die Schweizerinnen musikalisch genau das.
Ihr Stilmittel ist die Reduktion. Im Gegensatz aber zu klassischem Minimalismus lassen sie die Frage offen, ob sie wirklich nicht singen können, ob ihre musikalischen Fähigkeiten sich wahrhaftig nur auf ein bißchen Akkordeon, ein bißchen Trompete, Gitarre und Baß und etwas mehr geschlagenes Zeug begrenzen. In ihren Konzerten erheben sie den Dilettantismus zum künstlerischen Konzept, nur steckt dahinter eben – und das ist das Besondere – keine Unkenntnis der Lage. Muda Mathis – die sich als zupackender Putzteufel gerierende Frontfrau – ist in der Schweiz eine bekannte Filmerin, die nebenbei auch die feministische Alibinummer der Zeitschrift Du (11/1993) illustriert hat. Und Pippilotti Rist ist als Videokünstlerin so gefragt, daß sie ihre Arbeit bei den singenden Amazonen einschränken mußte und mittlerweile nur noch als Special Guest auftritt. Filmemacherinnen, Schauspielerinnen und Komponistinnen verstecken sich auch hinter den anderen. Das Produkt „Reines Prochaines“ ist nur ein künstlerisches Standbein der schnoddrigen Basler Schnauzen. Aber das lustigste. Waltraud Schwab
Heute, 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
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