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■ Vorschlag"Funny Ladies" im BKA-Zelt

Musical ist nicht gerade eine Unterhaltungskunst, auf die in Deutschland Patente angemeldet werden. Eher ist es so: Was gut in den USA und in England läuft, läßt sich auch hier verkaufen. Isabel Dörfler, die sich bisher querbeet und mit Lob durch die Musicalszene gesungen hat – 250mal in „A Chorus Line“ in Wien, „West Side Story“ in Mannheim, „Piaf“ in Hildesheim – will mit ihrem Soloprogramm mehr: „Ich gehe auf die Barrikaden für den guten Geschmack. Für Hirn und Musical breche ich eine Lanze.“

Radikaler Ausbruch, aber am Ende ihrer Show „Funny Ladies“, in der sie ihre Lieblingslieder aus vielen Musicals singt, hat sie mit allen Frieden geschlossen. Es gelingt ihr, den Musicalklischees, die sie aus dem Effeff beherrscht, eine eigene individuelle Note zu geben, ohne das Unterhaltungsbedürfnis zu strapazieren. Die großen aufgerissenen Augen sind echt, nicht geschminkt, die dramatisch in die Höhe gestreckten Arme spiegeln eine überzeugende Lust an der Bewegung, der Kleiderwechsel vollzieht sich mit einem Hauch Ironie. Die 30jährige Bremerin liebt die Songs, die sie gibt. Tatsächlich hat es was mit Geben zu tun. Was fürs Herz eben.

Die Begeisterung der Sängerin, für das, was sie tut, reißt die Show raus. Denn auf der Bühne bleibt es immer noch Massenware, die durch die Preisgabe der eigenen Geschichte zwischendurch individualisiert wird: „Für mich ist diese Show nach der strengen Choreographie des Musicals wie eine Befreiung.“ Wenn es so ist, stellt sich die Frage, warum niemand dieser Frau, die sich für ihren Jugendtraum, Sängerin zu werden (wie sie in Kurzform auf der Bühne zeigt), hart malträtierte, ein paar neue, eigenwillige, rockig-jazzige Songs schreibt und sie sie rausschreien läßt.

Eine Verschwendung, so eine Stimme auf der Kleinkunstbühne oder bei der hundertsten Endlosschleife in „The Rocky Horror Picture Show“, „Kiss me Kate“ oder „Cyrano“ verkümmern zu lassen. Ohnehin wird sich erst dann zeigen, ob Isabel Dörfler genug Biß für das Eigene hat. Die Band, die sie begleitet, hat schon den richtigen Drive und die richtige Hitze, denn soviel wird deutlich: Der Hang zum Dezenten paßt nicht zu dieser Frau. Waltraud Schwab

Am 16., 19., 20. und 23. bis 27.10., 20 Uhr im BKA-Zelt an der Philharmonie

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