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■ VorschlagAls wäre Seattle noch Hauptstadt: Bush und Solar Race im Metropol

Das Alter ist nicht nett. Versteckte es sich früher im Bad und kündigte sich als erstes graues Haar behutsam an, nimmt es heute den direkten Weg durchs Kabel und erwischt dich inmitten der Spätadoleszenz. Noch nicht ganz beisammen sitzt du am Frühstückstisch, wirfst einen irritierten Blick auf das mit Stecknadeln an der vergilbenden Rauhfasertapete befestigte Zeitungsfoto Kurt Cobains, dessen letzte Schreie als offizielles Bootleg jetzt einmal wöchentlich im CD-Player rotieren. Dann wieder wandern die Augen zurück Richtung Musikfernseher: „Swallowed“, brüllt da ein junger Mensch, reimt es auf „sorrowed“. Ein paar Zeilen später heißt es „just wanted to be myself“ und endet als „busted knee, sick head, blackened lungs“. Schüchterne Jungs rocken in einem schäbigen Wohnzimmer mit anliegender Küchenzeile ab, und ein Model hängt fertig in der Ecke neben dem schneienden Fernseher. Werdende Rock 'n' Roll- Leichen aller Generationen posieren abwesend und versammeln sich mit einem neonrot strahlenden Kreuz im Hintergrund und Nachwuchs auf dem Arm zur großen unheiligen Familie auf einem grünen Sperrmüllsofa. Als wäre Seattle noch Welthauptstadt, geht es da zu – mit dem feinen Unterschied, daß inzwischen sieben Jahre vergangen sind und es sich bei der besagten Band um Bush handelt, die außerdem aus London kommen und nebenbei sieben Millionen Exemplare ihres Debütalbums „Sixteen Stone“ absetzen konnten. Der krachende Nachfolger „Razorblade Suitcase“ wurde dann in der Abbey Road eingespielt und von Steve Albini produziert – und wenn deine jüngste Schwester morgen wie ungefähr zehn Millionen Mädchen von Itzehoe bis Idaho ihren Gavin Rossdale auf der Bühne leiden und schwitzen sehen will, komm ihr bloß nicht mit Sprüchen wie „Es ist einfach Rockmusik!“. Erstens hätten es schließlich auch die Backstreet Boys sein können, und zweitens sind Bush ohnehin nicht angetreten, um sich in Sachen Dekonstruktion zu profilieren.

Mit im Gepäck haben sie Solar Race aus Manchester: Eine Session bei John Peel, ebenfalls Steve Albini als Produzenten und zweimal eine Single der Woche im Melody Maker – es kann wohl kaum einen flotteren Start für dieses infernalische Newcomer-Trio geben, das derzeit als „Smashing Pumpkins mit Frontfrau“ hoch gehandelt wird. Wer weiß, vielleicht kann man eines gar nicht mehr so fernen Tages seinen ungläubigen Enkeln von dem Tag erzählen, da Eilidh Bradley und Kollegen dem Lärm eine neue Richtung gaben. Gunnar Lützow

Sonntag, 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

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