■ Vorschlag: Große Gesten und sehr viel Blei: „The Killer“ von John Woo
Chow Yun Fat ist unbewaffnet, während am anderen Ende des Raumes jemand hastig und mit deutlicher Tötungsabsicht ein Schrotgewehr nachlädt. Zwischen beiden ein großer runder Tisch, darauf, weit weg von unserem Protagonisten, ein Revolver. Chow Yun Fat tritt auf seine Seite der Tischplatte, schleudert so die Waffe in die Luft, fängt, schießt und trifft. Dies ist eine der dynamischsten Actionszenen in John Woos Genre-Klassiker „The Killer“.
Die detaillierten und liebevoll choreographierten Schußwechsel haben den Hongkong-Regisseur längst bei den Freunden des etwas gewalttätigeren Kinos bekannt gemacht. Denn wo in Hollywood allenfalls herumgeballert wird, zelebriert Woo in seinen Actionfilmen mit hartem Schnitt, Zeitlupe und verschiedenen Kamerapositionen die Schießerei als kunstvollen Überlebenskampf. Da werden zahlreiche Pistolen einen langen Gang entlang in Blumentöpfen deponiert, um nacheinander leergeschossen zu werden (“A Better Tomorrow“), da rutscht John Woos Freund und Lieblingsdarsteller Chow Yun Fat das Geländer einer Treppe herunter und schießt beidhändig auf fliehende Gangster (“Hard Boiled“) – ob Maschinenpistolen, Gewehre oder Revolver, ob Hinrichtung, Duell oder episches Gemetzel, John Woo hat bei seinen stark verbleiten set pieces kaum etwas ausgelassen.
Trotzdem haben seine Filme nichts von dem kaltschnäuzigen, billigen Zynismus amerikanischer Actionstreifen. Vielmehr geht es Woo um Loyalität, Ehre und Männerfreundschaften. In „The Killer“ riskiert der Profimörder (Chow Yun Fat) Leib und Leben, weil er trotz allem Moral und ein Gewissen besitzt und sich um die Sängerin (Sally Yeh) kümmert, die bei einem seiner Einsätze geblendet wurde. Auf der anderen Seite des Gesetzes steht der furchtlose Polizist (Danny Lee), der sich seine Arbeit nicht von den Vorschriften diktieren lassen will. Respekt entwickelt sich zwischen den beiden Männern. Es dauert nicht lange, bis sie Seite an Seite die zahllosen Schergen eines rücksichtslosen Gangsterbosses wegpusten. Diese Männerfreundschaft hat dann – auch das ist typisch für John Woo – durchaus homoerotische Züge: Wenn einer dem anderen eine Schußwunde mit Schwarzpulver ausbrennt und beide danach rauchend ihre charakterlichen Ähnlichkeiten besprechen, sieht das wie ein Nachspiel aus.
„The Killer“, dieses fast acht Jahre alte Schlüsselwerk von John Woo (der inzwischen mit eher mäßigen Ergebnissen in den USA arbeitet), ist eine Actionoper im besten Sinne des Wortes. Ein packendes Drama voller Pathos, großer Gesten und sehr viel Blei. Thomas Klein
Ab heute täglich im Blow Up 2, 22.15 und 0.15 Uhr; Eiszeit 2, 22.15 Uhr; Central 1, 18.15, 20.30 und 22.45 Uhr
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