■ Vorschlag: Lacht einen nicht sofort an, aber trotzdem: Neues von Gene
Es gibt ja immer wieder Bands, die durch die geläufigen Szene- und Hype-Raster fallen und trotzdem größer sind als alle anderen. Gemeinhin nennt man es „Potential“, was diese Bands auszeichnet; was sie jedoch benötigen, ist Stehvermögen und die eine oder andere Bresche, die für sie geschlagen werden muß. Die englische Band Gene ist so ein Fall.
Als sie vor zwei Jahren ihr Debütalbum „Olympian“ veröffentlichten, wurde es auf der Insel – statt wie üblich euphorisch – gerade mal milde und wohlwollend aufgenommen. Öfters setzte es sogar richtige Haue. Gene bekamen den Vorwurf zu hören, keinen eigenen Stil zu haben und das perfekteste Smiths-Plagiat aller Zeiten zu sein.
Knackig seien ihre Songs schon, aber irgendwie viel zu simpel gestrickt. Von Teenagerverarsche war die Rede, und auch hier im Hause mochte sich mancher Verantwortliche nicht so recht mit der Band anfreunden. Schließlich gab es da noch Oasis, Pulp, Blur oder Supergrass. Gene rangierten irgendwo unter „ferner liefen“.
Sehr gemein das alles, ist aber auszuhalten: Die Objekte der Begierde sind bei jedem anders, und Pop gibt bekanntlich auch zweite, dritte und vierte Chancen.
Gene jedenfalls haben zuletzt mit „Drawn To The Deep End“ eine überaus schöne Platte gemacht. Auch wenn sie einen diesmal nicht sofort anlacht, man eine Idee länger braucht, um sie richtig zu begreifen und zu mögen, die lebensrettenden und unbeschwingten Glücksmomente werden nicht mehr so locker wie vor zwei Jahren aus dem Ärmel geschüttelt. Höherer Schwierigkeitsgrad, größere Ausgefeiltheit, mehr Reife, mehr Tiefe – so nennt man das dann wohl.
Und weniger denn je denkt man an die Smiths, daran, daß hier die Popgeschichte hemmungslos geplündert wird, denn Gene verspüren auch keine Lust, sich in anderen Retro-Ecken herumzudrücken. Keine Beatles für Arme, keine Kinks für Doofe und auch keine Jam für die Zuspätgekommenen.
Die Akzeptanzprobleme werden wohl bleiben. Martin Rossiter, Chefimpresario und Songschreiber der Band, Mann für die manirierten wie auch für die romantischen Momente, geht damit recht locker um, an Minderwertigkeitskomplexen leidet er jedenfalls nicht.
In Interviews bezeichnet er sich gern mal als einen der größten und intelligentesten Songschreiber ever, und daß Gene bald so groß sind wie R.E.M. oder U2, ist für ihn nur eine Frage der Zeit: „It's a question of sneaking in the back-door.“ Abwarten und Tee trinken also, einen Vorgeschmack auf die Zukunft kann man morgen abend schon mal bekommen.
Gerrit Bartels
Sonntag ab 20.30 Uhr im Loft am Nollendorfplatz
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