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■ VorschlagEin bißchen Geisterbahn: Omphalos-Klangskulptur

Zieht sich quasi aus: der Performer Foto: Verleih

Klänge und Geräusche werden in den Katakomben des großen Wasserspeichers quicklebendig. Sie fangen an zu laufen, hupfen, eilen von Raum zu Raum, treffen sich irgendwo, kehren um. Sie kriechen an den Wänden entlang, springen von der Decke auf den Boden und zurück oder schwellen zu einem großen, dunklen Ton an. Das Ohr ist vollauf beschäftigt, wenn die Performancekünstler Lole Gessler und Susanne Kukies die unterirdischen Hallen in Prenzlauer Berg in ein riesiges Instrument verwandeln. Wie überdimensionale Orgelpfeifen bringen sie die einzelnen Räume zum Schwingen. Diese Akustik ist in der Tat beeindruckend.

Auch sonst schüchtert das Grabkammer-Ambiente des kühlen Gemäuers unweigerlich ein, ein Effekt, der in der Performance „Omphalos“ geschickt genutzt wird. „Hat jemand Angst vor Dunkelheit?“ raunt Lole Gessler dem Publikum zu am Beginn der Reise durch eine „bewegte Skulptur aus Raum, Klang, Mensch und Stille“. Nö, belustigtes Grinsen allerseits, noch ein letzter Schluck vom eingangs gereichten Wasser. Dann wird es aber gleich eng und dunkel, und alles drängelt doch mit einem leichten Anflug von Panik dem mit der Fackel im Labyrinth verschwindenden Künstler hinterher. Der leuchtet die Räume aus, streicht die Wände entlang, bewegt sich in eurythmisch anmutenden Verrenkungen und produziert eben sehr schöne Töne. Ein bißchen Geisterbahn, ein bißchen Gottesdienst, so präsentiert sich „Omphalos“ – und auf Grusel und Ritual läßt man sich in dieser Gruft zunächst ganz gern ein.

Aber irgendwann wird's dann doch etwas zu esoterisch, und mit der allmählichen Gewöhnung an das unheimliche Gewölbe schwindet unweigerlich der Glaube. So verliert der wohl intendierte Höhepunkt des Rituals etwas an Wirkung – hierbei entblößt sich der Performer, profaner gesagt: zieht sein Hemd über den Kopf und verharrt so vor einem altarähnlichen Gemäuer. Die Antwort darauf, was das bedeuten könnte, wird wohl für immer in den feuchten Ritzen des Gesteins verborgen bleiben. Und so entläßt das Gewölbe die Unwissenden schließlich gnädig wieder in die warme Berliner Sommerabendluft. Mara Borchardt

Großer Wasserspeicher, 12.–20.7.97, jeweils 20 und 21 Uhr

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