■ Vorschlag: Der Flughafen Tempelhof zeigt Entwürfe für Berlins Super-Airport
Hinter mir das Meer, vor mir die Stadt: Wer in einem Hafen ankommt, kann sich leicht orientieren. Als Orte der Schaulust, der Gerüche und der Promenaden empfangen Häfen den Reisenden und spülen ihm die Stadt vor die Füße. Wer dagegen fliegt, fühlt sich erst angekommen, wenn der Flughafen hinter ihm liegt. Als Durchgangsorte, in denen jeder Aufenthalt einem die Zeit stiehlt, erlebt man die Zielpunkte des beschleunigten Verkehrs. Je schneller man reist, desto weniger erträgt man den Stillstand.
Mit Geschichte und Zukunft dieser Unorte beschäftigen sich zwei Ausstellungen im Flughafen Tempelhof. Den historischen Teil hat das Art Institute of Chicago beigesteuert: In Fotografien läßt sich die Entwicklung der Airports vom getreppten Gebäuderiegel, der außen als Tribüne für die Flugschau diente (Hamburg-Fuhlsbüttel 1928/29) bis zu den Megaports der Gegenwart verfolgen, die als Schnittstelle von Flug- und Schienenverkehr, als Dienstleistungs- und Konsumzentren zu kontrollierten, austauschbaren Innenwelten geworden sind, die bestenfalls den Charme einer Shopping-Mall ausstrahlen. Da erscheinen die fünfziger Jahre, als die Familie sonntags am Flughafen Zukunft schnupperte, nachträglich als Höhepunkt. Auch wenn Eero Saarinen in New York Gebäude baute, die der Technik einen besänftigenden, fast organischen Schwung verliehen – moderne Flughäfen sind längst nicht mehr so dynamisch. Das skulpturale Formvokabular war nicht wandlungs- und ausbaufähig.
Der Zukunft gelten nun studentische Entwürfe für den Flughafen Berlin Brandenburg International in Schönefeld. Angeregt wurde das Hochschulprojekt vom Internationalen Design Zentrum Berlin, das Studenten, Sponsoren und Fachberater zusammenbrachte. Die Entwürfe reichen vom Ticket mit gespeicherten Informationen über den Fluggast und seinen Weg durch die Abfertigung bis zu Modulen für Terminals, Autobahnanschlüssen, Parkhäusern, Ladenpassagen. Studenten der TU Braunschweig stellten sich die komplizierteste Aufgabe: Sie suchten nach Leitbildern für die Großform des Flughafens in der Landschaft und fanden „Felsen“ mit ausgespannten „Fingern“, Satelliten-Terminals, die über unterirdische People- Mover-Systeme verbunden sind, oder von kleeblattförmigen Autobahnschleifen umfangene Rundbauten. Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee beschäftigte sich mit der Frage, wie Check-in schon im Flughafen-Express erledigt werden könnte. Mit mobilen Sitzelementen für „kreatives Warten“ und runden „Scootern“, die man als Stehtisch, rollbaren Stuhl und Gepäckkuli nutzen kann, sind Studenten aus Düsseldorf und Hannover ins Detail gegangen. Eines wird deutlich: Die Aufgabe, flexible Strukturen mit lesbaren Formen zu verbinden, ist noch lange nicht gelöst. Katrin Bettina Müller
Airports, Vision und Tradition. Bis 27.7., tägl. 6-22 Uhr, Flughafen Tempelhof
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