■ Vorschlag: Ächt russisch! Adriana Lubowa singt "Lieder kurz nach dem Glück"
Vorschlag
Ächt russisch! Adriana Lubowa singt „Lieder kurz nach dem Glück“
Der Medienwirbel vorab versprach einen neuen Star: die Lubowa. Eine markante Stimme aus der Taiga mit selbstgeschriebenen Chansons und deutschen Texten. Eine Frau mit soviel Geschichten, daß kaum einer weiß, was davon Dichtung, Wahrheit oder Kalkül ist – denn Adriana Lubowa ist so russisch wie Ivan Rebroff.
Vor wenigen Jahren noch stand sie als Leipziger Liedermacherin Maike Nowak auf Bühnen der DDR. 1984 ging sie nach Moskau, faßte dort Fuß als Sängerin und Komponistin und fand schließlich in einem gottverlassenen Dorf ein neues Zuhause. Ihren deutschen Namen legte sie ab und spricht seitdem von Maike nur noch in der dritten Person. Stoff genug, um daraus eine Diva mit Vergangenheit und Geheimnis zu zimmern. Theoretisch zumindest.
Auf der Bühne jedoch spiegelt sich in nichts ihre Vita wider, von Aura und Persönlichkeit ist kaum etwas zu spüren. Da wird bloß russische Seele behauptet und letztlich nur Klischee bedient. Da rollt der slawische Akzent wie bei Frl. Schneider von den Pfisters. Aber die meint's ironisch, Frau Lubowa ist es ernst damit. Ihre Chansons erzählen von Einsamkeit und tragischer Liebe: „Romanze in Marmor, in Stein gefangen / ein Ort, wo es sich einsam lebt“. Da steht sie, barfuß im tiefblauen, enggeschnittenen Kleid und rot-gelben Haaren und singt von der Liebe und dem Schmerz. Die Stimme ist dunkel und voll und erinnert an Lale Andersen, noch viel mehr aber an die selige Alexandra. Auch die hatte es bekanntlich mit der Taiga.
Adriana Lubowa gibt sich kühl und distanziert: Eine Frau wie einem Tschechow-Drama entsprungen, mit großen Gefühlen und noch größerer, unausgesetzter Einsamkeit. Dazu liefert das Trio (Wolfram Korr, Violine/Bratsche, Adrian Jones, Cello, Matthias Binner, Piano) all jene musikalischen Versatzstücke, die hierzulande für „ächt russisch“ gehalten werden. So ist das Westdebüt der Lubowa eine merkwürdig zwitterhafte Veranstaltung: Man mag das melancholische Timbre ihrer Stimme loben, doch als Bühnenfigur bleibt die Sängerin blaß und befremdlich. Der Funke will nicht überspringen, und die Aufmerksamkeit läßt im Laufe des Abends nach. Zum einen, weil sich die Künstlerin als Komponistin zu sehr im monotonen Gleichklang bewegt und nur selten schwung- oder temperamentvollere Lieder anbietet; zum anderen, weil die Textverständlichkeit wegen des künstlichen Akzents auf Dauer leidet. Deshalb gehört am Ende gerade die wirklich in russischer Sprache vorgetragene Eigenvertonung eines Gedichts von Mariana Zwetajewa zu den schönsten dieser „Lieder kurz nach dem Glück“. Axel Schock
Bis 19. Oktober, Di.–So., 20.30 Uhr in der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24
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