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■ VorschlagHat Funk: Consolidated im Knaack

Da war mal ein Adam Sherburne, der noch Anfang der 90er gern und oft verkündete, Popmusik sei ein „gänzlich unseriöses Medium“ und „Rock 'n' Roll macht dumm und anspruchslos“. Dieser Sherburne benutzte die überaus uneleganten HipHop-Beats seiner Combo Consolidated nur dazu, dem damit angelockten Publikum politische Diskussionen aufzunötigen. Dieser Sherburne und jener Sherburne, der jetzt ebenfalls unter dem Namen Consolidated eine Platte mit dem Titel „Dropped“ aufgenommen hat, können niemals ein und dieselbe Person sein. Denn „Dropped“ hat Grooves, hat Funk, hat Soul, hat Melodien, und es hat sogar Schweinerock-Gitarrenriffs und einen wundervoll entspannten Blues. Bei einem Stück hört sich Sherburne sogar einen Moment wie Prince an, ungelogen.

Irgendwas ist da faul. Jetzt geht nur noch manchmal das Industrial-Brett ab, nur selten wird Atonalität bemüht, und die sonst obligatorischen O-Ton-Einsprengsel aus TV und von den Konzert-Diskussionen fehlen völlig. Meine Güte, manchmal ist die Gitarre so fisselig wie die von Hendrix, dann daddelt es so heimelig, daß sich Jamiroquai verschämt die Fellmütze ins Gesicht ziehen müßte.

Aber natürlich hat Sherburne seine Anliegen noch lange nicht aufgegeben: Abgehandelt werden auf „Dropped“ Homophobie, Prostitution, Pornographie, häusliche Gewalt – im weitesten Sinne alle Folgen von Männlichkeit. Nur die Perspektive hat sich verschoben: Aus Angst mißverstanden zu werden, reduzierte Sherburne seine Texte früher so sehr, daß nur mehr unmißverständliche Slogans übrigblieben. Nun scheut er sich nicht, vom Persönlichen her zu argumentieren und zu akzeptieren, daß in letzter Konsequenz auch das Private politisch sein muß, daß das „Think globally, act locally“ sich eben auch auf das eigene Leben beziehen muß.

Jetzt funktioniert jeder Song eben auch als Song und nicht nur als Predigt, Diskussionsgrundlage oder Denkanstoß. Früher waren die besten Momente eines Consolidated-Auftrittes die, in denen die Konzertsituation aufgehoben wurde, wenn die Band als Band verschwand und nur noch als Moderator des miteinander streitenden Publikums fungierte. Aus dem Debattierklub ist nun zwar eine Band geworden, aber daß die Inhalte nicht dahinter verschwinden, dafür wird Sherburne schon auf der Bühne sorgen. Thomas Winkler

20. 11., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

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