■ Vorschlag: Die Rückkehr der Kunstfigur: David Byrne im SFB-Sendesaal
Es ist still geworden um das einstige Haupt der sprechenden Köpfe. Ist ja auch schon gute zwanzig Jahre her, daß sich David Byrne aufmachte, mit dem US-Wave-Quartett Talking Heads Popgeschichte zu schreiben. Ins kollektive Gedächtnis hat sich das Byrne-Bild aus dem genialischen Konzert-Konzeptfilm „Stop Making Sense“ eingegraben: ein Nervenbündel im überdimensionalen Anzug, eine Art HB-Männchen der Pop-Avantgarde, eine Karikatur der aufkommenden Yuppie-Generation.
Es scheint, als wäre David Byrne die Rolle des Berufsneurotikers eine Nummer zu groß geworden, zumindest aber lästig mit der Zeit. Schon Mitte der Achtziger zog es ihn hin zu den „wahren Geschichten“ des texanischen Landlebens, dann zu der unverbrauchten Melodiösität brasilianischer Musik – anfangs noch mit ironischem Unterton, schien aus seinen Ausflügen in die Weltmusik doch das echte Harmoniebedürfnis des gestreßten Großstädters zu sprechen, der Entspannung, gar Erlösung im unbeholfenem Sambatanz sucht.
Es scheint geholfen zu haben: Mitte der Neunziger präsentierte sich ein unerwartet ruhiger und introvertierter Byrne dem Publikum – „Psychokiller, qu'est-ce que c'est“? Unter dem Authentizität suggerierenden Titel „David Byrne“ legte er eine Art intime Lebensbeichte ab, als wollte er endlich die Identität von Künstlerfigur und Künstlerrolle behaupten. Der Mann zeigt jetzt sogar Gefühle: „Feelings“ hieß das vorerst letzte Werk, das allerdings von einem recht chaotischen Gefühlshaushalt zeugt: ein Baukasten der Popstile, auf dem Cover versinnbildlicht durch eine Byrne-Anziehpuppe aus Plastik. Vorläufiges Fazit also: Neue Unübersichtlichkeit, Rückkehr der Kunstfigur und einmal mehr – Stop making sense. Daniel Bax
Heute abend ab 20 Uhr im Großen Sendesaal des SFB, Masurenallee 8–14, Charlottenburg
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