■ Vorschlag: „Grenzgänge“: Kunst aus Koffern im Projektraum Meinblau
Es gibt Koffer aus Stein, andere sind mit Wachsfiguren gefüllt oder als Gitarrenkoffer voller Kassetten und Jugenderinnerungen gepackt. Von außen aber sehen die meisten der in der Galerie Meinblau präsentierten Ausstellungsstücke aus wie gewöhnliches Reisegepäck. Die Galerie selbst hat den Charme eines Lagers erhalten, einer Kofferaufbewahrung an Bahnhöfen oder Flughäfen: „Grenzgänge“. Über siebzig Koffer sind von in Berlin lebenden Künstlern verschiedener Herkunft und von Vertretern etlicher Kulturkreise eingesandt worden, aus Korea, Australien, Polen, Israel oder Kanada. Die Objekte liegen verschlossen auf Stahlregalen, aber man darf sie auch hervorziehen und öffnen. Je nach Inhalt kann man sich dann einen Walkman aufsetzen, ein Video angucken, Dosen aufmachen oder Fotoalben durchblättern. Höhergelagerte Koffer können mit einer Leiter errreicht werden – der Galeriebesuch als Performance, die die Besucher selber leisten.
Im Koffer des Berliner Künstlers Armin Ketter befindet sich ein Bildschirm, auf dem ein gefangener Tiger hinter Gitterstäben herumläuft: der Koffer mutiert hier von einem Symbol der Mobilität und Freiheit zur Stätte der Enge und Begrenzung. Sean Reynards (Großbritannien) dagegen lädt mit langen Resonanzstäben zum Musikmachen ein. Sascha Kürschner (Berlin) hat zwei Plastikfäuste mit dem Schriftzug „HARM“ (linke Faust) und „ONIE“ (rechte Faust) eingepackt, daneben zwei obligatorische Reisezahnbürsten. Friedvoll dagegen die Arbeit des Koreaners Ki-Heoun Jeoung, der in seinem Koffer ein aus Polyester nachgebildetes Stück seines Heimatdorfs mit sich herumträgt. Die Israelin Aviva Mishmari schickte ein winziges Gepäckstück mit kleinen Döschen voller Kindheitsfotos. Andere Koffer präsentieren in ironischer Absicht Vorstellung und Illusionen vom perfekten Urlaub, von fernen Paradiesen.
Die Meinblau-Veranstalter, eine Gruppe junger Künstler, die selber auf dem Gelände arbeiten, laden seit einem Jahr regelmäßig andere Künstler zu Ausstellungen und Aufführungen ein. Ihnen war bei den Grenzgängern daran gelegen, ein Kaleidoskop unterschiedlicher Kulturen zu präsentieren. Mit dem Koffer als Motiv haben sie einen übergreifenden Zusammenhang geschaffen, der auch den Übergang von Alltag zur Kunst beleuchtet. Tanja Dückers
Bis 5.7., Projektraum „Meinblau“, Christinenstraße 18/19
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