■ Vorschlag: Kontrollverlust kontrollieren: Rocket From The Crypt im Knaack
Es sind keine einfachen Zeiten auf diesem Planeten: ein altes Lied, das ein jeder von uns nicht ungern zu singen weiß. Insbesondere aber Bands, die sich den Rock 'n' Roll pur und für immer auf ihre Gitarrenhälse geschrieben haben. Da heißt es Augen zu und durch – selbst wenn ein Magengeschür die Folge von soviel Hartnäckigkeit ist. Dem positiv verrückten Speedo, Leadsänger und Mastermind von Rocket From The Crypt, widerfuhr selbiges nach den Aufnahmen des von ihm produzierten 96er Albums „Scream Dracula Scream“: „Ich war gestreßt, schließlich bin ich kein gelernter Produzent. Doch ich weiß vor allem, was ich nicht mag und wie unser Zeugs zu klingen hat.“ Nämlich straight nach vorn, wild, losgelassen und out of control. Doch den Kontrollverlust kontrollieren ist nicht leicht, mit dem Magengeschwür dann noch monatelang auf Tour gehen auch nicht. Rocket From The Crypt jedenfalls legten sich nach dieser Anstrengung in ihrer Heimat San Diego erst mal auf die faule Haut. Sie trennten sich und gingen schwimmen, fischen und andere Bands gucken. Fast schien es, als hätte der Rock 'n' Roll ihnen den Garaus gemacht. Es juckte aber bald wieder in den Fingern, was „RFTC“, das nun fünfte Album, zur Folge hatte. Wobei Speedo und seine fünf Kumpels aus körperlicher Unbill gelernt haben: Erstmals legten sie ihr Schicksal in die Hände eines Produzenten, der auch noch auf die irgendwie logische Idee kam, das Album ohne Overdubs, also direkt und live einspielen zu lassen. So klingt er in diesem Jahr noch ehrlicher und lebendiger, der Rocket-From-The-Crypt- Rock 'n' Roll, noch konsequenter eingespannt zwischen Punkrock, Rockabilly und Motown-Soul. Und selbst wenn sie sich ein paar eher ruhige Midtempo-Songs genehmigen, sollte man nicht meckern. So was gehört zum Älterwerden und dient wahrscheinlich nur der Vorbereitung auf die unschlagbaren Live-Vorstellungen. Gerrit Bartels
Ab 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg
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