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■ Vorschlag der lombardischen Rechten ärgert den VatikanBordell auf, Bordell zu

1958 wurden sie allesamt geschlossen – und seither herrscht der „vierzigjährige Krieg“, wie „L'Espresso“ vermerkt: Damals kam das „Merlin“-Gesetz durch, benannt nach einer Bavaria-ähnlichen Senatorin der Democrazia cristiana, das alle sogenannten „Case chiuse“, geschlossene Häuser, oder auch „Case di appuntemanto“, Treff-Häuser, verbot. Bordelle sind seither in Italien offiziell nicht mehr zugelassen, Strafe bei Verstoß: zwei bis sechs Jahre Gefängnis, die Prostitution ist auf die Straße verbannt.

Zwar wußten sich die Italiener auch mit einer solchen Situation zu arrangieren, indem sie solche Häuser heimlich betrieben, doch auf der offiziellen Schiene tobt der Kampf um die Wiederzulassung von Prostituierten-Herbergen. Bisher mit negativem Ausgang, obwohl sich jede der inzwischen ins Land gegangenen vierzig Regierungen um das Problem „zu kümmern“ versprach und die Befürworter einer Wiederzulassung immer wieder auf das sympathische Denkmal verweisen, das Fellini der ehemaligen Einrichtung in seinem „Roma“ gesetzt hat.

So kam ein neuer Vorstoß in diesen Tagen denn auch nicht überraschend – überraschend war nur, wer ihn tätigte, die parlamentarische Rechte nämlich. Genauer gesagt, die lombardischen Regionalabgeordneten des „Pols der Freiheiten“ um Silvio Berlusconi und die Ex-Neofaschisten Gianfranco Finis, die im Regionalparlament die Mehrheit haben: Sie wünschen sich „unter staatlicher Gesundheitskontrolle“ stehende Bordelle, möglichst „von den Damen selbst gemanagt“, und gleichzeitig „eine massive Reduzierung der Straßenprostitution“.

Grund dafür ist die überhandnehmende Aggressivität der konkurrierenden Frauen – und zunehmend auch Männern als Transvestiten – auf den Straßen vieler lombardischer Städte, vor allem in Tourismus- und Messezentren, und die immer ungebremster ansteigenden Aidsübertragungen. Nach Polizeischätzungen gehen in Italien mehr als eine halbe Million Frauen der Prostitution nach, gut ein Drittel von ihnen HIV-infiziert.

Die Initiative hat natürlich sofort den Vatikan auf den Plan gerufen, der seinerzeit das Merlin-Gesetz initiiert hatte, und das Verdikt ist eindeutig: „Förderung der Prostitution verstößt gegen das Naturgesetz.“ Punktum.

Dieser Meinung ist auch der Regionalpräsident der Lombardei, Roberto Formigoni – sein Problem liegt jedoch darin, daß er just von jener Koalition zum lombardischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, die nun die Gesetzesinitiative eingebracht hat.

Formigoni hat bereits seinen Eiertanz begonnen – auf der einen Seite muß er der päpstlichen Laien-Fußtruppe „Comunione e liberazione“ dienen, die ihm mit ihren Stimmen zur Mehrheit verholfen hat, auf der anderen Seite kann ihm die „Bordell-Mehrheit“ (Formigoni) mächtig zu schaffen machen, wenn er im September seinen Landeshaushalt durchsetzen muß. Den Posten „Aufwendungen für die gesundheitspolitisch kontrollierte Wiedereröffnung von Bordellen“ jedenfalls will die Mehrheit der Abgeordneten ausdrücklich im Haushalt verankert sehen, sonst, so ein Abgeordneter, „stimmen wir gegen den Etat“. Werner Raith

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