■ Vorschläge zur falschen Zeit: Der Sozi-BVG-Tarif
Statt Tickets zu verteuern, forderte gestern Ditmar Staffelt, Chef der SPD-Fraktion, sollten neue Busspuren geschaffen werden. Andernfalls, so stünde zu befürchten, würden der BVG noch mehr Fahrgäste weglaufen und lieber Auto fahren. Staffelts Anliegen, die Entscheidung über die geplante Tariferhöhung hinauszuzögern und möglicherweise auch zu verhindern, ist ehrenhaft. Wie aber soll man der guten Absicht der Sozialdemokraten nur glauben? Schließlich ist lange bekannt, daß eine Fahrpreiserhöhung droht – den Sozis war das bislang eine ganze Presseerklärung wert. Jetzt – vier Tage vor dem entscheidenden Beschluß im Verwaltungsrat – fällt ihnen ein, daß Verkehrssenator und Regierender Bürgermeister besser alte Versprechen einlösen und auch noch einmal mit den Sozialdemokraten reden sollten, bevor die Preise am Fahrkartenautomaten umgestellt werden.
Auch hat Staffelt nicht einen Gedanken daran verschwendet, ob seine Forderung überhaupt realisierbar ist und die anstehende Entscheidung verschoben werden kann. Seine Bemerkung, es müßten ja nur neue Tickets gedruckt werden, ist zwar witzig, ignoriert aber, daß BVG, Reichsbahn und die Verkehrsbetriebe des Umlands monatelang über die neue Tarifstruktur beraten haben. Wenn Berlin nun ausscheren wollte, stünden erneut zeitraubende Gespräche mit den Vertragspartnern an. Hinter den Kulissen soll die Reichsbahn bereits gewarnt haben, ohne Preiserhöhung aus dem Verbund auszusteigen. Kaum zu glauben, die SPD wollte in Kauf nehmen, daß dann ab Januar für U-Bahn und S-Bahn verschiedene Tickets gelöst werden müßten. Immerhin haben gestern die Sozialdemokraten bewiesen, daß sie gelegentlich noch in der Lage sind, sinnvolle Vorschläge zur Verkehrspolitik zu machen. Vielleicht sollten sie diese in Zukunft nur besser terminieren. Dirk Wildt
Siehe Bericht Seite 18
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