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VorratsspeicherungAuch Seelsorge gegen Datensammelei

Widerstand gegen Datenspeicherung: Jetzt unterstützen auch Medienverbände und Gewerkschaften die Bürgerrechtler gegen das geplante Gesetzesvorhaben.

Auch Telefonseelsorger befürchten, dass sämtliche eingehende Anrufe zurückverfolgt werden können. Bild: ap

"Kommt die Vorratsdatenspeicherung in ihrer vorgesehenen Form, wird die Pressefreiheit mit nicht abzusehender Intensität geschädigt. Ein wirksamer Informantenschutz wäre dann nicht mehr gewährleistet", warnte Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) am gestrigen Montag auf einer medienpolitischen Fachtagung zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Berlin.

DATEN AUF VORRAT

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der Vorratsspeicherung wurde im April beschlossen. Demnach sollen Telekom-Unternehmen alle Verbindungsdaten sechs Monate lang speichern. Bei Bedarf könnte die Polizei dann rekonstruieren, wer mit wem wann per Telefon, Mail oder SMS in Verbindung gestanden hat. Die Inhalte, die bei den Gesprächen oder beim Versenden der Nachrichten ausgetauscht werden, sollen von der Speicherung nicht betroffen sein. Das Gesetz soll am 1. Januar in Kraft treten. Mit der neuen Regelung setzt die Bundesregierung eine Richtlinie der EU um, die im Dezember 2005 mit den Stimmen von Christdemokraten und SPD im EU-Parlament verabschiedet worden war

Eingeladen zu der Veranstaltung hatten neben der Humanistischen Union und dem VDZ Medienanstalten wie ARD, ZDF, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und der Deutsche Presserat (DPR).

Die Allianz aus Bürgerrechtlern, kritischen Juristen und Hackerszene, die sich bislang vornehmlich zur geplanten staatlichen Zwangsdatenspeicherung zu Wort gemeldet hatte, erhält somit neue Verstärkung. Das größte Bedenken der Medienvertreter: Potenzielle Informanten, die den Redaktionen Insiderwissen zutragen wollen, ohne ihre Identität preiszugeben, könnten das Vertrauen in die ihnen zugesagte Anonymität verlieren und ihre Information lieber für sich behalten. Denn wenn der Autor eines Insiderbeitrags ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät, können zukünftig dessen sämtliche elektronische Kommunikationen offengelegt werden - und zwar rückwirkend bis zu einem halben Jahr. Da der Gesetzentwurf "einen spürbaren Quellenschutz für Journalisten verweigert", so Fiedler, werde ein Kernbereich der Pressefreiheit angegriffen.

Auch aus anderen Gründen ist das Gesetzesvorhaben, das am 1. Januar in Kraft treten soll, umstritten. Die Liste der Gegner ist lang. Neben Bürger- und Menschenrechtsgruppen haben unter anderem die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Deutsche Anwaltsverein und die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge Einspruch angemeldet. Wie die Medienverbände fürchten auch die Telefonseelsorger, dass die Rückverfolgbarkeit sämtlicher eingehenden Anrufe die Voraussetzungen ihrer Arbeit ad absurdum führen würde.

Ricardo Remmert-Fontes vom AK Vorratsdatenspeicherung zeigt sich erfreut über die Ausweitung der Unterstützerbasis, vor allem, da mit den Medienverbänden und mit Ver.di endlich potente und erfahrene Lobbyisten mit im Boot sind. Allerdings, so beklagt der Aktivist, beschränke sich die Beteiligung der großen Verbände weitgehend auf ideelle Unterstützung. Praktische und finanzielle Hilfeleistungen seien aber genauso notwendig: "Mit der Durchführung der Demonstration am kommenden Samstag sind wir pleite." Ein Onlineshop, der T-Shirts mit dem Logo "Stasi 2.0" verkauft, habe seine Spendenzahlungen wieder eingestellt.

Ungeklärt blieb auf der Konferenz auch die Frage nach der kriminaltechnischen Notwendigkeit der Datensammelwut. Gerade mal 0,006 Prozent - in Worten: sechs von Hunderttausend - mehr Aufklärungserfolge bei Straftaten sind laut einer aktuellen Studie des Bundeskriminalamts zu erwarten. Auch in Irland, wo entsprechende Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung bereits in Kraft sind, waren keine merklichen Auswirkungen auf die Kriminalitätsraten nachzuweisen.

Am kommenden Samstag laden AK Vorratsdatenspeicherung und weitere Gruppen unter dem Motto "Freiheit statt Angst" in Berlin zu einer Demonstration. Treffpunkt ist das Brandenburger Tor, Beginn 14.30 Uhr.

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