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■ VorlesungskritikKultur und Krieg

Wer Peinlichkeiten vermeiden will, sollte das Peinliche offen ansprechen. Zahllose Historiker haben schon hilflos herumgestottert, weil sie die Zwillingsbrüder Hans und Wolfgang Mommsen nicht zu unterscheiden wußten. Wolf Lepenies, der als Direktor des Berliner Wissenschaftskollegs eine Atmosphäre kultivierten Gesprächs zu schaffen versteht, las manchem Zuhörer die Unsicherheit vom Gesicht ab – und nahm sie ihm mit einer Anekdote: Wolfgang Mommsen, emeritierter Professor in Düsseldorf, war gerade als Fellow in Berlin angekommen, da stürmte „eine Dame“ auf ihn zu und „umarmte ihn heftig“, derweil sie etwas von „Bochum“ murmelte. „Ich bin doch gar nicht Hans“, suchte Wolfgang das Mißverständnis aufzuklären. Die Frau nahm es gelassen: „Hauptsache, ein Mommsen!“

Das wissenschaftliche Werk der beiden läßt sich dagegen problemlos unterscheiden. Hans Mommsen, der NS-Forscher, bekämpfte mit seiner These, ein System selbstgeschaffener Sachzwänge habe zum Judenmord geführt, die bequeme Verortung der Schuldfrage bei einem „Führerbefehl“ und setzte sich deshalb dem törichten Vorwurf aus, er wolle Hitler entlasten. Wolfgang Mommsen hingegen ist in solche Kalamitäten nie geraten. Das liegt nicht nur an seinen weniger heiklen Themen, sondern vor allem daran, daß er den sozialdemokratischen Kodex politischer Korrektheit nie verletzt. Was er in einem Vortrag sagen wird, das weiß sich der informierte Zuhörer schon vorher.

Nicht anders war es, als er an einem lauen Maiabend im Wissenschaftskolleg über die Rolle der kulturellen Eliten im Ersten Weltkrieg referierte. Anders als „die große Mehrheit der liberalen Öffentlichkeit“ hätten Intellektuelle und Künstler schon vor 1914 „in der ersten Reihe der mit einem Kriege sympathisierenden Gruppen“ gestanden. Als der Krieg dann „endlich“ ausbrach, brachen alle Dämme. „Dieser Krieg ist groß und wunderbar“, schwärmte selbst ein so nüchterner Geist wie Max Weber. Rilke freute sich über die „herrliche gefühlte Gefahr“, Thomas Mann begrüßte die „heilige Reinigung“, Max Beckmann sprach von einer „wunderbaren Katastrophe“.

In der Diskussion ließ sich Mommsen dann doch einige kleine Provokationen entlocken. Es sei ihm „stinklangweilig geworden, über diese deutschen Professoren zu schreiben“, begründete er die bewußte Mißachtung des akademischen Milieus. Ganz offensiv bekannte sich Mommsen zu seiner angeblich „unmodernen“ Beschäftigung mit Hochkultur und Eliten. Ihn interessiere, daß „Leute von hohem Niveau“ bei solch plattem Militarismus mitgemacht hätten.

Es war wiederum Lepenies, der das Ergebnis der Debatte mit einem Bonmot des Soziologen Karl Mannheim präzise zusammenfaßte: „Die Intellektuellen waren die Klasse, die nichts wußte und alles besser.“ Ralph Bollmann

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