Vorlauf: Legende ohne Ende
■ "The Bird: Charly Parker"
„The Bird: Charlie Parker“,
Sonntag, 23.55Uhr, N3
„Bird ist nicht tot; er versteckt sich bloß irgendwo und wird mit irgendeinem Mist zurückkommen, der jeden zu Tode erschreckt“, wußte sein Weggefährte Charles Mingus einst zu versichern.
Würde Charlie Parker noch leben, wäre er heute 72. Als er vor fast 38 Jahren starb, schätzten die Ärzte ihn auf 54, und da die genaue Todesursache nicht auszumachen war, gaben sie gleich alles an: Magen, Lunge, Leber und Herz versagten. Alkohol und Heroin schafften die charismatische Musikerpersönlichkeit des Bebop, ganz zu schweigen vom psychosozialen Klima der Segregationszeit; weit im Vorfeld des schwarzamerikanischen Aufbruchs der sechziger Jahre.
Legenden ohne Ende erzählen heute noch Überlebende, die dem revolutionären Altsaxophonisten einst ihr Horn geliehen haben wollen, von Sex-, Sauf- und Freßgier ist da die Rede, von notorischer Schnorrerei, illegitimen Ehen, musikalischer Komplexität und – Genialität eines Unverstandenen. Damals galt es fast schon als unreligiös, nicht wie Bird spielen zu wollen. „So wurde Yardbird ein Märtyrer unserer Musik – und ich wurde ein Reformer“, kommentierte der kürzlich verstorbene Parker-Mitstreiter Dizzy Gillespie.
Der norwegische Dokumentarfilm „The Bird“ von Jan Horne, 1990 beim Jazzfilmsalon Warschau mit dem ersten Preis ausgezeichnet, erfährt Sonntag seine deutsche Erstausstrahlung. Von dem Clint Eastwood „Bird“-Schinken ist vielleicht noch in Erinnerung, wie ein Schlagzeugbecken nach dem fünfzehnjährigen Charlie geschleudert wird – Synonym für den Zorn der Älteren über musikalische Inkompetenz.
Die Erfahrung fruchtbarer Lehrjahre, die folgten, faßte Bird später so zusammen, „sie sagen dir, daß es musikalische Grenzen gibt. Listen Man: In der Kunst gibt es keine Grenzen“. Christian Broecking
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