■ Vorlauf: Fliege an der Wand
„Die Leidenschaft zur Vernunft. Helmut Schmidt über Macht und Moral“, Sonntag, 21.15 Uhr, N 3
Ein Mann, ein Segelboot, ein blaues Schifferkäppi, eine rote Fahne am Mast – alles klar? Helmut Schmidt hat eine Renaissance – und außerdem Geburtstag. Am 23. Dezember wird der Altkanzler fünfundziebzig.
Das aber war nicht der einzige Anlaß für das 60minütige Fernsehportrait von Uwe Zimmermann, das am 19. Dezember in N 3 ausgestrahlt wird. „Ich habe mich geärgert, daß ich lange Zeit auf das Bild des theorielosen Pragmatikers Schmidt hereingefallen bin“, sagt Zimmermann. „Den anderen Schmidt“ habe er sich nun anschauen wollen, den Schmidt der Bücher. Statt des arroganten Politikers habe er dabei einen nachdenklichen, ja grüblerischen Menschen getroffen.
Im Film wechseln sich Gespräche mit dem Altkanzler mit Schwarzweißrückblenden ab. Schwarzweiß ist denn auch vieles, was inhaltlich herüberkommt. Seit der englischen Kriegsgefangenschaft hat der „preußische Hanseate“ Schmidt große Vorbilder: Von Marc Aurel lernte er „Pflichterfüllung und Gelassenheit“, durch Karl Popper erfolgte die „Abrechnung mit diktatorischen Systemen“, durch Max Weber begriff er, was „Verantwortung“ bedeutet. Was aber bedeuten Macht, Moral, Sittlichkeit, was Gesinnung und Verantwortlichkeit für den Menschen Schmidt?
Wie viele andere vor ihm wurde auch Zimmermann zum Opfer der Schmidtschen Formelhaftigkeit. Nicht umsonst gilt der ehemalige Bundeskanzler als schwieriger Gesprächspartner. Manche wollen sich bei ihm gefühlt haben wie „eine Fliege an der Wand“.
Eine Fassade von Schlagwörtern soll da Jahre später hinterfragt werden. Aber der gesuchte „Mensch“ scheint nur einmal durch, wenn es um den „Fall Schleyer“ geht. Schmidt selbst bringt ihn zur Sprache: Die Frage, „Habe ich da nach der Ethik Kants richtig gehandelt?“, mutet ein wenig makaber an. Aber dann folgt schon der kaschierende Satz: „Konfliktsituationen, in denen kein Philosoph und keine Religion hilft – das läuft auf Max Weber hinaus.“ Caro Wenzel
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