■ Vorlauf: „Wir wissen nichts“
„Die dritte Brücke“, Doku von Klaus Wildenhahn, Sonntag, ARD, 23.45 Uhr
Die dritte Brücke: kein historisches Bauwerk. Nur eine Eisenkonstruktion, die zwei Stadtteile verbinden soll: Ost-Mostar und West-Mostar, getrennt durch den Fluß Neretwa – und durch die Front des bosnischen Bürgerkriegs. „Die erste Brücke wurde von den Serben zerstört“, sagt die Stimme aus dem Off. Die Kamera gleitet über die zerschossenen Häuser am Ufer. „Sommer 1992. Der erste Krieg, die erste Brücke. Die zweite Brücke wurde im Krieg zwischen Kroaten und Moslems zerstört. Sommer 1993. Der zweite Krieg, die zweite Brücke.“
Im Auftrag der EU soll Hans Koschnick die verfeindeten Stadtteile Mostars aussöhnen. Der Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn hat ihn begleitet, entstanden ist daraus ein filmisches Tagebuch über den Irrsinn des Alltags in Mostar. Koschnick verhandelt und gibt Anweisungen, seine Sekretärin etabliert ihr Büro im Hotel mit Fax und Kaffeemaschine. Englische und spanische Pioniere versuchen, zum dritten Mal eine Brücke über den Fluß zu schlagen. In Koschnicks Hotelzimmer landet eine Panzerfaust. Wer hat sie abgefeuert? Welche Uniformen gehören zu welcher Gruppe? Wer ist hier wofür verantwortlich?
Klaus Wildenhahn protokolliert das Suchen, das Stochern und Rätseln der EU-Verwalter. „Wir wissen nichts“, sagt Koschnick. Gerahmt hat Wildenhahn sein bosnisches Tagebuch mit einer besonders grotesken Episode: zu Beginn ein Keller, müde, hoffnungslose, erschöpfte Gesichter. Ein EU-Beamter überreicht drei Frauen feierlich ein Papier: die Aufenthaltsgenehmigung. Eine Übersetzerin dolmetscht, Tränen, Lachen, Küsse, Abschied.
Acht Filmminuten im Keller – und man versteht nichts. Dürfen sie ausreisen, wohin, warum? Am Ende des Films steigen die Frauen in einen Bus, der langsam über die – fertiggestellte – Brücke rumpelt. „Die erste Familienzusammenführung“, berichtet der Kommentar. „Fünf Wochen Verhandlungen, um drei Frauen vom Ost- aufs Westufer bringen zu können.“ Vielleicht doch ein historisches Bauwerk, die dritte Brücke.Kai Voigtländer
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