■ Vorlauf: Am Rande Europas
Themenabend „Portugal – EU und Esperança, 20.45 Uhr, arte
Für ihn sei Portugal „ein exzentrisch europäisches Phänomen“, schrieb 1957 der deutsche Schriftsteller Reinhold Schneider, der das Land viel bereist hat. Er vergleicht Portugal mit Rußland. Zwei Länder, „die beide eigentlich nicht mehr zu Europa gehören, beide die Grenzen bezeichnen, die uns in unserer inselhaften Mitte gezogen sind“. Allen Eigenarten, den seelischen und den anderen, zum Trotz: Portugal gehört seit 1986 zur EU. Und arte nimmt das zehnjährige Jubiläum zum Anlaß für einen Themenabend. 275 Minuten über Portugal, die auch das portugiesische Fernsehen zeitgleich ausstrahlt – eine Premiere für den europäischen Kulturkanal.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Emigration, denn Portugal ist noch immer ein Auswandererland. 9,8 Millionen Menschen wohnen innerhalb seiner Grenzen, weitere 4 Millionen Portugiesen leben als Emigranten über die halbe Welt verstreut. Sie sind „Gastarbeiter“, weil ihr Land seine Leute nicht satt macht. Die Emigration wirkt wie ein Ventil, durch das soziale Spannungen entweichen. Im Alentejo, dem Armenhaus des armen Portugal, wird dies besonders deutlich. Viele sind weggegangen.
Und für viele der Gebliebenen gibt es Arbeit nur bei der Olivenernte von Oktober bis Januar. Im Sommer fahren sie dann als Saisonarbeiter nach Deutschland, Frankreich, in die Schweiz, ernten Obst, schuften auf dem Bau. Die Familien bleiben zu Hause. Und die Trennung ist schwer. Als ein Alentejaner davon erzählt, zittern seine Lippen, und die Kamera bleibt so lange an seinem Gesicht hängen, bis sie die Tränen eingefangen hat, die er sich aus den Augen wischt.
Auf Berliner Baustellen gehören Portugiesen zum Arbeitsalltag. Sie drücken die Löhne. Was im Film auch Arbeitsminister Blüm sorgt: „Ein Portugiese kann mit drei Mark vielleicht noch seine Familie zu Hause ernähren. Doch mit drei Mark kannste hier keine Familien ernähren.“ Mit einem Stundenlohn von drei Mark kannste auch in Portugal keine Familie ernähren, Nobbi!Theo Pischke, Lissabon
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen