piwik no script img

■ VorgespultMehr als Spitze

„Edith Wharton – ein Portrait von Kyra Stromberg“, 21 Uhr, S2-Kultur

„HörBar“, 19.30 Uhr, ORB

Zugegeben, bisher hatte Edith Wharton bei mir einen schweren Stand. Der Grund? Für mich war die 1867 geborene Autorin eine Ewiggestrige: verhuscht und standhaft viktorianisch. Ich nahm ihr einfach übel, daß sie ellenlange Romane schrieb, anstatt, wie die Woolf oder Djuna Barnes, an der Moderne zu feilen. Auch die fürs Paris der zehner Jahre recht harmlosen Liebschaften verliehen ihr keinen Glamour. Und Scorseses Schnulzenverfilmung von „Zeit der Unschuld“ gab meinem Wharton-Bild den Rest. Nie wieder wäre sie von mir beachtet worden, hätte nicht Kyra Stromberg, die beste Portraiteuse der Exzentrikerinnen unseres Jahrhunderts, dieses Feature verfaßt. Da mußte dann doch mehr an Wharton dran sein als Spitze, Seide, Seelenpein!

Wie wahr! Frau Stromberg zerstreut jedes Vorurteil mit links und entlockt der Amerikanerin ihre verborgenen Reize. Sie zeigt, wo die Dame durchaus aufmuckte: als Autodidaktin, Frau und Außenseiterin. Und wie den Herren ob ihres immensen Wissens die Galle hochkam! In ihrer frischen, analytischen und unmanierierten Art zeichnet Frau Stromberg ein lebendiges Bild dieser Künstlerin. So erreicht sie (ungewollt) noch etwas: Sie stellt so manch eitlen Literaturquatscher als „nackten Kaiser“ bloß ...

Und noch ein Hörtip: Gabriele Bigott, Hörspielchefin des ORB, lädt um 19.30 Uhr nun zum zweiten Mal zur HörBar. Im „Alten Rathaus Potsdam“ dürfen „Radiotrinker“ und Produzenten nicht nur über Kunst und Geschmack, sondern auch über das Thema der vorgestellten ORB-Hörspiele streiten. Ihren prickelnden Schuß erhalten die Hörcocktails durch die geladenen Gäste aus „Politik und Gesellschaft“. Heute wird „Johanna von der U-Bahn“, der dramatische Monolog eines Flüchtlingsmädchens aus Ex-Jugoslawien, vorgeführt. Anschließend geben sich Almuth Berger (Ausländerbeauftragte für Brandenburg) sowie Mitarbeiter des Referats für Asylrecht und Mitglieder der Initiative „Brandenburg hilft Bosnien“ gesprächsbereit.Gaby Hartel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen