: Voreiliger Jubel ist nicht angebracht
■ betr.: „Justizminister will endlich Schlußstrich ziehen“, taz vom 1.10. 97
Der taz liegt ein Referentenentwurf des Justizministeriums vom 2.Juli 1997 vor, der leider nicht das beinhaltet, was man beim ersten Lesen vermuten könnte. Mit ihm werden keinesfalls alle NS-Unrechtsurteile aufgehoben. Der Entwurf verweist vielmehr auf einen Katalog von Vorschriften, die mit diesem Gesetz aufgehoben werden sollen. Nur: Dieser Katalog ist dem Entwurf nicht beigefügt, es gibt ihn noch gar nicht. Allein deshalb ist dieser Entwurf abschließend nicht beurteilbar.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß gerade viele Urteile der NS- Militärjustiz, Verurteilungen von „Volksschädlingen“, „WehrkraftzersetzerInnen“ etc. nicht oder nur bruchstückhaft in ihm enthalten sein werden. Bereits jetzt sagt der Entwurf in §2, daß von den Urteilen der Militärgerichte nur die Todesurteile als so qualifiziertes Unrecht zu bewerten sind, nicht aber langjährige Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen.
Schlimmer noch: §3 hält fest, daß bereits rechtskräftig in der Bundesrepublik entschiedene Verfahren nicht mehr unter das neue Gesetz fallen. Wer also in den 50er Jahren als Deserteur vergeblich in einem Rehabilitierungsverfahren versucht hat, sein NS-Urteil aufheben zu lassen, bleibt nach diesem neuen Gesetz vorbestraft. Voreiliger Jubel gegenüber dem BMJ-Entwurf ist also nicht angebracht. [...] Günter Saathoff, wiss. Koordi-
nator AK Innen- und Rechtspo-
litik, B 90/ Grüne im Bundestag
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