■ Vor neuen kroatisch-serbischen Teilungsverhandlungen: Den Mördern nicht nachgeben!
Seit bekannt ist, daß in der nordbosnischen Stadt Brcko über 3.000 Muslimanen von serbischen Schlächtern ermordet wurden, wird in den Medien der Welt immerhin wieder über den Terror in Bosnien berichtet. Vor einem Tribunal der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ traten Flüchtlinge auf, die die Namen von Mördern nennen. Plünderer, Mörder, Vergewaltiger und Räuber agieren im rechtsfreien Raum, der ihnen von Politikern wie Radovan Karadzic zugestanden wird.
Es ist sogar wahrscheinlich, daß die serbischen Politiker in Bosnien-Herzegowina darauf abzielen, sich möglichst viele Komplizen ihrer Mordaktionen zu schaffen. Dennoch übertreiben westliche Militärs, wenn sie mit erheblichem Widerstand gegenüber einer Intervention der UNO in Bosnien rechnen. Die Warnung vor einem Partisanenkrieg bleibt unhistorisch. Die Partisanen des II. Weltkrieges kämpften für die Befreiung des Landes von deutscher und italienischer Besatzung. Sie entwickelten sich aus einer gesellschaftlichen Bewegung mit einer Vision und klar umrissenen Zielen. Das Regime Karadzic jedoch ist hohl. Wie nervös diese Leute sind, wenn ihre Legitimität in Frage gestellt wird, zeigen die hysterischen Reaktionen auf die Forderung nach einem internationalen Gerichtshof. In der serbischen Bevölkerung Bosniens selbst wächst der Abscheu gegenüber dem Regime des Terrors. Erstmals kritisierten die orthodoxen und katholischen Spitzen gemeinsam die Politik der ethnischen Vertreibung. Das ist bedeutsam in einer Region, in der die nationalen Selbstdefinitionen religiös vermittelt sind.
Die Gespräche der Vermittler Vance und Owen sind bisher fehlgeschlagen. EG und UNO stehen sogar in der Gefahr, die Politik des Mordes und der Vertreibungen zu sanktionieren. Offenbar setzt sich unter der Hand die Meinung durch, der Krieg könne nur durch die Anerkennung der geschaffenen Realitäten beendet werden. Wenn der restjugoslawische Staatschef und Chefideologe der „ethnischen Säuberungen“, Cosic, heute mit dem kroatischen Präsidenten Tudjman — der ja prinzipiell auf gleicher Linie liegt — zusammentrifft, wird es auch um die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas gehen. Würden die internationalen Organisationen sich tatsächlich auf solche Verhandlungen einlassen, wäre den Mördern recht gegeben. Erich Rathfelder
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