■ Vor fünf Jahren beschloß die SPD ihre Quotenregelung. Eine Sozialdemokratin hält Rückschau und zieht Bilanz: Triumph einer Emanze
Frauen waren einmal ein Thema in der Bonner Politik. Ich kann mich gut daran erinnern. Die zweifelhafte Ehre, als eine Art Domina in einem politischen Sadomaso-Studio bestaunt zu werden, wurde mir zwar nie zuteil – dieses kurze (und gar nicht ungetrübte) Glück blieb den Kolleginnen vom grünen „Feminat“ in Bonn vorbehalten. Aber zum Thema Frauen wurde in jenen Jahren alles gesagt: kein Witz wurde ausgelassen, keine Pointe versäumt. Das Feminat gibt es schon lange nicht mehr, und niemand genießt im Bundestag mehr den Kitzel, von einer „Hexe“ am Pult des Klemmchauvinismus geziehen zu werden. Der Netzstrumpf-Effekt ist hin. Alle haben damals mitgemacht. Helmut Kohl erfand Rita Süssmuth, die FDP leistete sich kurz eine weibliche Generalsekretärin, und die SPD beschloß die Quote. Was bleibt?
Nun: die Quote. Sie ließ sich weder auf einen Repräsentationsposten abschieben noch nach Abklingen der Weiberwelle zur Vorjahresmode auf den Speicher stellen. Sie blieb eben. Manche in der SPD, die sie damals mitbeschlossen haben, weil man eben mit der Zeit geht (und selber schon einen Posten hat), wären froh, wenn sie damals eine etwas gefälligere Antwort auf den feministischen Ausbruch gefunden hätten. Es handelt sich in diesem Fall um ein Thema von gestern, das man einfach nicht so leicht wegkriegt. Die SPD hätte sich gern mit einem frechen feministischen Vorstadtmädel verbunden, das ruhig aufsässig sein und den Herren die Leviten lesen darf. Aber die schicke Partnerin von damals, die Quote, ist in die Jahre gekommen, und so mancher fürchtet sich, mit einer verhärmten Emanze am Arm gesehen zu werden.
Fünf Jahre ist die Quote alt. Schon ist sie unmodern. Aber man wird sie einfach nicht los. Mich freut das. Aber ich bin auch selber oft genug als langweilig und stur abgestempelt worden, wie es wohl noch immer den meisten Frauen geht, die im Beharren auf Emanzipation eine gewisse Penetranz entwickeln – sie stoßen halt auf ein äußerst empfindliches Publikum.
Wir waren damals mißtrauisch und hinterhältig genug, in die SPD einen Automatismus einzubauen: Per Satzung ist für alle Parteigremien ein Wahlverfahren eingeführt worden, das von vornherein kein Ergebnis mit weniger als 40 Prozent Frauen (und 40 Prozent Männern) möglich macht. Wir haben „Stufen“ beschlossen, nach denen die Quote verwirklicht werden soll: Die letzte davon betreten wir 1998, wenn 40 Prozent aller Mandate mit Frauen besetzt werden müssen. Vor fünf Jahren wußten wir natürlich nicht, ob das 1998 modern sein würde, aber wir ahnten schon, es könnte nicht der Fall sein. (Als wir 1949, im ersten Bundestag, 9,5 Prozent und 1953 schon 13,4 Prozent Frauen in der SPD- Bundestagsfraktion hatten, waren wir noch weniger hellsichtig. Da ahnten wir nämlich nicht, daß wir 1972 wieder bei 5,4 Prozent landen würden.)
Aber egal was 1998 gerade modern ist. Die Quote wird bleiben, denn sie sichert sich selbst. Maximal 60 Prozent Männer kriegen eben keine Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung hin. Oder, ein Ideechen verbindlicher formuliert: Da die Chauvis im männlichen Teil der SPD erfreulicherweise nie eine 100-Prozent- Mehrheit hatten, bleibt ihr Anteil in der Gesamtpartei künftig strukturell bei maximal 50 Prozent. Das ist tröstlich. Aber des Trostes sind wir auch bedürftig, denn die Mehrheit der Männer in der SPD hat das Thema Frauen inzwischen verdrängt. Würde sie nicht gelegentlich durch den Anblick real sozialdemokratischer Frauen daran erinnert, vergäße sie es ganz.
Man tut, was man (noch) kann: Zwar sind in den Gremien die Frauen satzungsmäßig vertreten. Aber wenn einzelne gewählt werden, achtet man wieder auf Anzug und Krawatte. Es hat sich die Faustregel durchgesetzt: Mann an die Spitze, Frau als Vize. Quotierte Gremien wählen mehrheitlich einen Vorsitzenden und seine Stellvertreterin. Wenn drei Kandidaten für ein Spitzenamt zur Auswahl stehen, sind zwei davon Männer. Die unterlegene Frau wird dann Vize. Wir hatten dieses sich bewährende Muster schon bei der Wahl des Fraktions- sowie des Parteivorsitzenden, und bei unserem Hang zur Tradition werden wir es sicher gern noch lange so halten. Ich weiß, das scheint man(n)chem kleinliche Erbsenzählerei. Schließlich geht es um Wichtiges, Regierungsbeteiligung, das Grundgesetz, die Zukunft unseres Landes, Europas, Männersache, oder?
Nachdem wir 1988 schon so klug waren, das alles vorauszusehen, will ich mutig sein und noch einmal eine Prophezeiung wagen. In ein paar Jahren, wenn den Menschen das Wasser bis zum Halse steht und auch den politischen Modejournalen für die Sommersaison nichts mehr einfällt, werden alle Parteien in ihren Kellern verzweifelt nach ein bißchen Beständigkeit, ein paar unverbrauchten Werten, etwas Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit kramen. Und sie werden nichts finden. Außer der SPD. Die wird froh sein, daß die penetranten und ganz und gar unflexiblen Emanzen von dereinst gegen derlei Beschimpfungen eine gewisse Immunität entwickelt haben und mit ihrer unoriginellen und uralten Idee der Gleichstellung der Geschlechter so lange ihren öden Kult getrieben haben. Vielleicht wird sie uns dann herzlich anlächeln. Wir aber werden wegschauen und huldvoll die Schleppe raffen. Und verschmitzt zurücklächeln. Inge Wettig-Danielmeier
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